592 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
Prinzipe errichtet ist, hat daher das Staatshaupt nicht den Cha-
rakter eines Volksrepräsentanten!).
Noch nach einer dritten Richtung hin ist der Repräsentations-
gedanke von Bedeutung?). Wenn ein Beamter sein Amt unab-
hängig vom Dienstherrn ausübt, also dessen Dienstbefehlen nicht
unterstellt ist, so ist er, soweit diese Unabhängigkeit reicht,
Repräsentant des Dienstherrn, nicht mittelbares Organ. Das gilt
in erster Linie von den Richtern. Da, wo die Richter einen
Dienstherrn überhaupt nicht haben, wie in den Vereinigten Staaten,
wo sie entweder durch Volkswahl bestellt oder von der voll-
ziehenden Gewalt ernannt werden, ohne daß dieser irgendein
weiterer Einfluß auf sie zusteht, ist der repräsentative Charakter
der Richter klar ausgeprägt. Sie sind in solchen Staaten unmittel-
bare sekundäre Staatsorgane®). Anders in den Staaten, wo die
Richter fortdauernd der Dienstgewalt des sie ernennenden Staats-
oberhauptes unterworfen sind. Hier sind sie, soweit die Befug-
nisse der Justizverwaltung ihnen gegenüber reichen, mittelbare
Organe, in der Rechtsprechung jedoch Repräsentanten des Dienst-
herrn. Die Rechtsprechung im Namen des Monarchen besagt,
daß der Richter als sekundäres Organ des Monarchen handelt,
daß sein Wille unmittelbar Monarchenwille sei, wie der Wille
des Volksvertreters Volkswille. Mit großartiger Anschaulichkeit
haben die Engländer diese juristische Vorstellung zum Ausdruck
gebracht, indem sie dem Könige Ubiquität in den Gerichtshöfen
zuschreiben, so daß aus dem Munde des Richters der König selbst
und ursprünglichen Rechte.“ Vauthier StR. d. Königr. Belgien S. 20.
Vgl. auch die zutreffenden Ausführungen von Smend Die preuß.
Verf.Urk. usw. S. 47 ff.
1) Wohi aber kann in der Monarchie ein sekundäres Organ die
Monarchenrechte ausüben, nämlich der Regent, der Repräsentant des
verhinderten Monarchen ist. Vgl. oben S. 547 und System der subj. öff.
Rechte S. 153f.
2) Es ist hier nicht der Ort, alle Repräsentationsverhältnisse ein-
gehend zu erörtern. So beruhen die kaiserlichen Rechte im Reiche auf
Repräsentation der verbündeten Regierungen; so ist, wie schon erwähnt,
die „Stellvertretung“ des Reichskanzlers in Wahrheit Repräsentation.
Der Statthalter von Elsaß-Lothringen repräsentiert, soweit er landes-
herrliche Befugnis ausübt, den Kaiser. In Kollegialbehörden repräsentiert
der stellvertretende Vorsitzende in der Regel den Präsidenten usw.
°®) Vgl. System der subj. öff. R. S.158 N.2. Daß die Richter im
wesentlichen unmittelbare Staatsorgane seien, hat bereits Gierke, Ge-
nossenschaftsr. I S. 829, behauptet.