600 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
Verwaltung; .der Reichshofrat ist sowohl Gerichts- als Verwaltungs-
behörde in unserem Sinne. Hingegen treten in den Territorien
neben den landesherrlichen Gerichten mit der seit dem 16. Jahr-
hundert immer stärker ausgeprägten Konzentrierung der Fürsten-
gewalt und der damit an Intensität zunehmenden Verwaltungs-
tätigkeit entweder neue Behörden auf, oder die neue Verwaltungs-
tätigkeit wird mit den bestehenden Gerichten vereinigt. Die
Trennung der Justiz von der Verwaltung ist später entweder
Fixierung oder Wiederherstellung der vormals vorhanden ge-
wesenen Selbständigkeit der ordentlichen Gerichte. Ein durch-
schlagendes materielles Kennzeichen jedoch, das Justiz von Ver-
waltung scheidet, gibt es nicht und kann es nicht geben, daher
sich auch heute noch alle Theoretiker mit dem Satze begnügen,
daß dieser Gegensatz sich historisch herausgebildet habe und der
Justiz das zuzuweisen sei, was auf Grund der geschichtlichen
Entwicklung als Justizsache gelte. Die neuere Entwicklung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie die tiefere theoretische Unter-
suchung des Wesens der Rechtsprechung und Verwaltung lassen
Justiz und Verwaltung im herkömmlichen Sinne immer mehr
als rein formale, an die äußere Erscheinung der sie versehenden
Behörden anknüpfende Kategorien erscheinen, welche die Ver-
schiedenheiten der in ihnen zum Ausdruck gelangenden staatlichen
Funktionen nicht zu erklären vermögen.
Aber auch die folgenreichste und wissenschaftlich bedeut-
samste Unterscheidung der Staatsfunktionen ist der Erkenntnis
gegensätzlicher Stellung bestimmter Glieder des Staates ent-
sprungen!). Wie der Gegensatz von Fürst und Volk, der Dua-
lismus des mittelalterlichen Staates überhaupt in bedeutsamster
Weise auf den Bau des modernen Staates eingewirkt hat, so auch
besonders in diesem Punkte. Der Versuch, Fürst und Volk zu
innerer Einheit zusammenzufassen, kann nur dahin führen, einem
von beiden die höchste, dem andern die untergeordnete Stellung
zuzusprechen. Steht dem Volke die höchste Gewalt zu, so kann
es sie nur durch Majoritätsschlüsse äußern, deren Inhalt die
Gesetze sind. Dies behauptet die auf das Mittelalter so mächtig
wirkende aristotelische Theorie von dem Verhältnis des Rates
I) Zur Geschichte der Lehre von der Gewaltenteilung vgl. Saint
Girons Essai sur la separation des pouvoirs, Paris 1881, p. 3££.;
G. Jellinek Gesetz und Verordn. S.56ff.;, D’Eichthal p. 98ff.;
Esmein Droit const. p. 392 ff.