Achtzehntes Kapitel. Die Funktionen des Staates. 613
nimmt nämlich ein ımmer breiter werdendes Gebiet ein. Aber
nicht nur einschränkend wirkt sie, vielmehr wird sie auch zur
Herrscherin über die anderen Funktionen. Bei der rechtsverwirk-
lichenden Tätigkeit der Rechtsprechung ist das ohne weiteres
klar. Aber auch ein bedeutendes Stück der Verwaltung unter-
wirft sich die Gesetzgebung in fortschreitender Weise, so daß
unter normalen Verhältnissen im entwickelten Staate die Ver-
waltung in Abhängigkeit von der Gesetzgebung gerät. In alter
und neuer Zeit ist daher der normale Staat als ein solcher
definiert worden, in dem die Gesetze herrschen, in dem also Ver-
waltung und Rechtsprechung gemäß Rechtsregeln erfolgen. Die
moderne von Mohl, Stahl und Gneist formulierte Rechts-
staatstheorie hat. der Lehre des Plato und Arıstoteles vom
Gresetzesstaate kein neues Merkmal hinzugefügt.
Die materiellen Funktionen sind nun unter entsprechende
Arten voneinander relativ unabhängiger Organe so verteilt, daß
die Zuweisung einer großen Masse von Objekten einer bestimmten
Funktion an ihr zugehörige Organe derart erfolgt, daß sie alle
in dem höchsten Organe den Ausgangs- und Einigungspunkt
finden. Der Scheidung der Funktionen entspricht die Arbeits-
teilung der Organe. Daß diese Scheidung keine reinliche ist
und sein kann, ist bereits ausgeführt worden. Daraus ergibt
sich der Gegensatz der formellen Funktionen, die von den gesetz-
gebenden, verwaltenden, richtenden Organen geübt werden. Ihrer
formellen Seite nach zerfallen daher die Tätigkeitsäußerungen
des Staates in Akte der formellen Gesetzgebung, der formellen
Verwaltung und in Justizakte.
Eine Vereinigung sämtlicher materieller Funktionen findet
sich namentlich bei den Organen der Verwaltung. Die Verwaltung
ım formellen Sınne hat Verordnungs- und Entscheidungsgewalt.
Vermöge der ersten nımmt sie an der materiellen Gesetzgebung,
vermöge der zweiten an der Rechtsprechung teil. Den gesetz-
gebenden Organen sind nicht nur die mit der Gesetzgebung im
materiellen Sinne in Verbindung stehenden Verwaltungsfunktionen,
sondern auch Teilnahme an gewissen Verwaltungsakten, deren
Anordnung oder Genehmigung in Gesetzesform erscheint, sowie
richterliche Geschäfte (Wahlprüfungen, Beschlußfassung über
Petitionen) zugewiesen. Die ordentlichen Gerichte besitzen ein
weites Gebiet der Rechtssicherheit bezweckenden Verwaltung
(Pflegschafts-, Grundbuchswesen, Führung von Handels-, Vereins-.