Achtzehntes Kapitel. Die Funktionen des Staates. 619
dieses die Ausführung des Angeordneten enthaltend. Die Ver-
waltungsakte zerfallen daher ın Akte der Regierung und der
Vollziehung, können aber auch beide Elemente in sich schließen.
Beide Elemente finden sich auch auf dem Gebiete der außer-
ordentlichen Staatstätigkeiten.
Regierung in dem hier entwickelten Sinne ist materieller,
objektiver Art. Sie kann daher auch von Organen der Gesetz-
gebung geübt werden; selbst die oberste, richtunggebende Re-
gierungsgewalt wird von diesen da versehen, wo ihnen die höchste
Gewalt zusteht. In der Monarchie jedoch steht die oberste Re-
gierung dem Monarchen zu. Die höchste Leitung der Regierung
ist das auszeichnende Merkmal des höchsten Staatsorganes.
Durch Lokalisierung in bestimmten Organen erlangt aber der
Begriff der Regierung auch eine subjektive Bedeutung. Die über-
wiegend Regierungsgeschäfte versorgenden Staatsorgane werden
als Regierung im formellen oder subjektiven Sınne bezeichnet.
Die Regierung im subjektiven Sinne führen daher Monarchen
und republikanische Staatshäupter sowie die ihnen untergeordneten
Behörden. Die Anerkennung der Bedeutung der Regierung als
der leitenden Tätigkeit des Staates kommt — fast möchte ıch sagen:
instinktiv — dadurch zum Ausdruck, daß ihr oberstes Organ ın
jedem Staate als Staatshaupt bezeichnet wird, selbst in der demo-
kratischen Republik, trotzdem sie dem Chef der Exekutive nie-
mals die höchste Stellung unter den Staatsorganen anweist. In
Frankreich wird der Präsident sogar offiziell als chef de }’Etat be-
zeichnet, aber schon in dem Namen ‚Präsident‘ liegt die Vor-
stellung eines Vorstehers des Staates enthalten. Selbst die Schweiz
mit ihrem kollegialen Bundesrate hat dessen Vorstand nicht den
Titel eines Bundespräsidenten vorenthalten, trotzdem er rechtlich
eine viel minderwertigere Stellung hat als der Präsident einer
Republik.
Auf den ersten Blick scheint es, als ob freie Tätigkeit dem
Richter nicht zukommen dürfe, dessen wesentliche Aufgabe ın
der Konkretisierung des Rechtes durch Entscheidung des einzelnen
Falles besteht. Solche Auffassung aber verkennt das Wesen
geistiger Tätigkeit überhaupt. Wäre Rechtsprechung mechanische
Anwendung des Rechtes, so ließe sich der Ausgang eines jeden
Rechtsstreites mit Sicherheit berechnen, wäre ein Widerstreit
richterlicher Entscheidungen gar nicht denkbar. Es liegt aber
im Rechtsprechen ein schöpferisches, durch Regeln nicht be-