642 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
grundsätzlich von ihnen zu tragen sind, wodurch die Verbands-
ınitglieder zur Herbeischaffung der ökonomischen Mittel für diese
Verwaltungstätigkeit herangezogen werden.
Die Möglichkeit eines Rechtes auf Selbstverwaltung scheint
auf den ersten Blick mit dem Gedanken der Einheit des Staates
und seiner Gewalt, demzufolge nur der Staat selbst ein Recht
auf Imperium besitzen kann, unvereinbar. Sie ist in der Tat
nur historisch zu begreifen, da alle solche Rechte geschichtlich
mit dem dualistischen Staate des Mittelalters zusammenhängen.
In England mit seiner seit der normännischen Eroberung kon-
zentrierten Staatsgewalt ıst es niemals zur Vorstellung und An-
erkennung eines Rechtes einzelner oder eines Verbandes auf
Selbstverwaltung gekommen.
Anders auf dem Kontinente. Dort war staatliche Gewalt in
die Hände von Feudalherren und Städten geglitten und zu deren
eigenem Rechte geworden. Der Absolutismus, welcher den großen
Enteignungsprozeß vollzog, den die Staatsgewalt gegen alle unter-
geordneten Gewalten führte, hat die bisher mit eigenem Imperium
Begabten keineswegs gänzlich aus dem Besitze gesetzt. Bis ins
19. Jahrhundert hinein standen Grundherren und Städten in
verschiedenen Staaten eigene Gerichtsbarkeit und Polizei zu, wie
denn auch andere Herrschaftsrechte den Städten bei aller Ein-
schränkung und Beaufsichtigung durch die Staatsgewalt verblieben
waren. Allein der Gedanke, daß der ursprüngliche Eigner dieser
Rechte der Staat sei, bricht sıch in Theorie und Praxis mit
elementarer Gewalt Bahn. Dadurch ist eine Fortdauer oder
Erweiterung dieser Rechte juristisch nur möglich, indem man an
ihren Ursprung wieder anknüpft. So wie der Landesherr oder
Bischof durch Belehnung mit den Regalien, die Stadt durch Ver-
leihung des Gerichtsbannes in den Besitz von Hoheitsrechten
kam, deren Ursprung aus der Staatsgewalt dadurch sichtbar in
die Erscheinung trat, so findet auch heute in der Zuerkennung von
Selbstverwaltungsrechten eine Belehnung mit Imperium statt. Der
moderne Selbstverwaltungskörper dieser Art hat daher vom Staate
das Recht auf Ausübung staatlichen Imperiums in der Weise er-
halten, daß es ihm als ein auch dem Staate gegenüber selbständiges
— abgeleitetes, aber eigenes — Recht zusteht, das letzterer aller-
dings auf dem Wege des Gesetzes zu ändern vermag.
Solches Recht auf Selbstverwaltung steht heute nur aus-
nahmsweise einzelnen zu und auch dann nur in ihrer Verknüpfung