Full text: Allgemeine Staatslehre

646 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
Hier hat sie kraft der vom Staate auferlegten Verpflichtung staat- 
liche Funktionen auszuüben. Dadurch kann der Wirkungskreis 
der Gemeinde geschieden werden in einen selbständigen und einen 
aufgetragenen (übertragenen, delegierten), welcher Unterschied, 
obwohl aus der erwähnten französischen Terminologie stammend, 
hier einen ganz anderen Sinn erhält. Im selbständigen Wirkungs- 
kreis übt die Gemeinde ihr Recht aus, im aufgetragenen ist sie 
Staatsorgan!), 
Vermöge der innigen Verbindung, in welcher die Gemeinde 
mit dem Staate steht, übt dieser gegenüber jener, wie jeder 
öffentlich-rechtlichen Körperschaft gegenüber, eine umfassende 
regulierende Tätigkeit. Er setzt ihre Verfassung entweder aus- 
schließlich oder in ihren wesentlichen Grundzügen fest und unter- 
wirft sie seiner Kontrolle, die, nach den einzelnen Rechtssystemen 
verschieden geregelt, die Kommunen mehr oder weniger weit- 
gehenden Eingriffen der Staatsgewalt aussetzen kann. In seinen 
Gemeindegesetzen disponiert der Staat formell uneingeschränkt 
über Organisation und Wirkungskreis der Gemeinden, ohne daß 
er unverrückbare Grenzen fände. Dieser Satz ıst aber ebenso 
eine juristische Hilfsvorstellung wie der entsprechende von der 
staatlichen Allmacht gegenüber dem Individuum. 
Für die so durch Gemeinden geübte Selbstverwaltung lassen 
sich ihrem Inhalte nach a priori keine festen Schranken ziehen, 
da der Begriff der lokalen Interessen ein flüssiger, vielfach den 
Ermessen unterworfener ist. Der eigene Wirkungskreis umfaßt 
vornehmlich Angelegenheiten der inneren und Finanzverwältung, 
der aufgetragene auch solche der Justiz- und Heeresverwaltung. 
Die Gemeindeverwaltung ist überall Verwaltung gemäß Staats- 
gesetzen. Doch kommt den Gemeinden gesetzlich auch ein Ver- 
  
1) Andere Einteilungen, wie die Gneists in obrigkeitliche und 
wirtschaftliche Selbstverwaltung oder Loenings, Verwaltungsrecht 
5.181, in obligatorische und freiwillige Aufgaben der Gemeinden ver- 
mögen keine rechtlich erhebliche Scheidung der Gemeindeaufgaben 
herbeizuführen. Gemeindesteuern werden sowohl kraft obrigkeitlicher 
als wirtschaftlicher Verwaltungstätigkeit erhoben, wie denn überhaupt 
das der (Gemeinde zustehende Imperium auch wirtschaftliches Ver- 
waltungsmittel ist. Und ebenso kann die Auflage einer Gemeindesteuer 
sowohl aus einer Verpflichtung der Gemeinde entspringen als fakultativen 
Zwecken dienen, daher selbst auch an diesem Charakter teilnehmen, 
ohne daß es möglich wäre, in der Auflage einer neuen Steuer die beiden 
Elemente zu trennen.
	        
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