Full text: Allgemeine Staatslehre

652 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
nicht naturalisierte Eingeborene oder sonstige Angehörige eines 
Schutzgebietes ist und bleibt Reichsausländer. 
Die Schutzgebiete weisen demnach zwei der wesentlichen 
Staatselemente auf: eigenes Gebiet und eigene Angehörige. 
Nichtsdestoweniger sind sie weit davon entfernt, Staaten zu sein!). 
Sie haben nicht die geringsten Elemente einer staatlichen Persön- 
lichkeit aufzuweisen?). Sie sind nicht Subjekte staatlicher Tätig- 
keit. Die Staatsgewalt über die Schutzgebiete ruht ausschließlich 
beim Reiche?). 
1) Rehm, Staatslehre S. 264, wollte die Schutzgebiete für nicht- 
souveräne Staaten erklären, und zwar für solche, die auf dem Gebiete 
der Objektstheorie (vgl. oben S.166 Note 1) aufgebaut sind. Diese An- 
sicht hat Rehm nunmehr selbst aufgegeben (Kl. Staatslehre S. 18f., 48), 
und damit die längeren, dagegen gerichteten Erörterungen der zweiten 
Auflage dieses Werkes S. 636 N. 1 und S. 639 N. 1 gegenstandslos gemacht, 
Gegen Rehms Theorie auch E.Kaufmann Auswärtige Gewalt und 
Kolonialgewalt 1908 S. 140f. 
2) Sie haben durch das Reichsgesetz vom 30. März 1892 vermögens- 
rechtliche Persönlichkeit erhalten und damit öffentliche Rechtssubjek- 
tivität. Diese beschränkte Rechtsfähigkeit ruht auf anstaltlichem, nicht 
auf korporativem Typus (vgl. Staatsfragmente S. 19), erhebt die Schutz- 
gebiete aber keineswegs zu Staaten. Ähnlich ist es mit dem elsaß- 
lothringischen Landesfiskus bestellt (Staatsfragmente S. 32). 
3) So die herrschende Lehre. Vgl. G.Meyer Die staatsrechtliche 
Stellung der deutschen Schutzgebiete 1888 S. 87; derselbe Staatsrecht 
S.206: Laband II S.285; Haenel Staatsr. I S.844ff. Über die 
Stellungen der Kolonialgesellschaften und Häuptlinge der eingeborenen 
Stämme vgl. G.Meyer Staatsr. S.487ff. Man kann die Schutzgebiete 
als Objekte der Reichsherrschaft bezeichnen, sofern damit das Fehlen 
einer selbständigen öffentlichen Gewalt der Schutzgebiete ausgedrückt 
werden soll. Die Einwohner der Schutzgebiete aber sind keineswegs 
bloß Herrschaftsobjekte, da ihre Persönlichkeit anerkannt und geschützt 
ist. Vgl. v.Böckmann Die Geltung der Reichsverfassung in den 
deutschen Kolonien 1912 S.151ff. Die staatsrechtliche Objektstheorie 
läßt sich auch bei derartigen Gebilden nicht durchführen. — Gegen die 
Auffassung der Kolonien als Staatsfragmente wendet E.Kaufmann, 
Auswärtige Gewalt und Kolonialgewalt 1908 S. 117 N.1, 141f, ein, es 
gebe in den Kolonien eine eigene Staatsgewalt, nämlich die des 
Reichs; jede Staaisgewalt könne die ihr unterworfenen Gebietsteile 
verschieden behandeln, ebenso die Untertanen; das tue das Reich, aber 
über beiden Arten von Gebieten und Untertanen stehe doch gleichmäßig 
die eine-Reichsgewalt. Dieser Einwand dürfte die Probe nicht aushalten. 
Man denke sich die Kolonien weg, und es bleibt ein Staat, das Reich. 
“an denke sich dagegen das europäische Deutschland weg, und die 
Kolonien zerfallen in Anarchie. Also kann die Reichsgewalt den Kolonien 
gegenüber keine eigene sein. 
 
	        
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