654 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
In all diesen Fällen kann man die angeführten Gesetzgebungs-
organe weder als Organe von Kommunalverbänden noch als
Organe des übergeordneten Staates auffassen. Der Gesetzgebungs-
prozeß ist ein staatlicher Prozeß; alle daran mitwirkenden Organe
sind Staatsorgane!). Landesgesetze sind .nicht etwa mit. den
Ortsstatuten einer Gemeinde zu vergleichen, da sie von der
Staatsgewalt erlassen werden. Die erwähnten Landesparlamente
nehmen als Staatsorgane an dem Prozeß der Landesgesetzgebung
teil?). Allein sie sind nicht direkte Organe des Staates selbst, son-
dern gehören dem Lande zu. Der böhmische Landtag ist nicht Organ
des österreichischen Staates, sondern Böhmens. Landesparlamente
sind daher Staatsorganen gleichwertige Organe, die aber nicht
dem Staate, sondern dem Lande eignen. Sie sind Glieder einer
rudimentären staatlichen Organisation) des betreffenden Landes.
Zu diesen Gesetzgebungsorganen können noch andere hinzu-
gefügt werden. Es kann eine besondere Regierung, ein besonderer
Behördenorganismus sowie eine besondere Gerichtsverfassung hin-
zutreten. Daß solche Organe Staatsorgane, nicht etwa Organe eines
Kommunalverbandes sind, ergibt sich daraus, daß sie unmittelbar
nicht zu erklären vermögen. (In der 5. Auflage seines Staatsrechts,
II 213 Note, hat Laband mit Rücksicht auf das neue Verfassungsgesetz
jene Ausführungen nicht wiederholt. Sie haben aber auch heute noch für
eine allgemeine Staatslehre Bedeutung.) Mit mir grundsätzlich überein-
stimmend E. Bruck Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht von Elsaß-
Lothringen 1 1908 S.35f.; Rosenberg, Hirths Annalen 1903 S. 494 ff.
u. Zeitschr. f. d. ges. Staatswissenschaft 1910 S.345£f.; die angeblich erst
von R. entdeckte Verwandtschaft zwischen Elsaß-Lothringen und den
amerikanischen Territorien ist bereits in der Schrift „Über Staatsfrag-
mente‘ 18396 S.284ff. gewürdigt worden.
1) Dieser Satz ist heute communis opinio. Der Charakter von
Partikularparlamenten ist bisher gründlicher Untersuchung nirgends unter-
zogen worden.
2) Negiert man das, so kann man konsequent nur zu der Anschauung
von Mischler, Österreichisches Staatswörterbuch II S. 582, gelangen,
daß die Österreichischen Landtage „Selbstgesetzgebung‘' üben, während
sie doch in Wahrheit an der Staatsgesetzgebung teilnehmen. Daran,
daß die österreichischen Landesgesetze Staatsgesetze sind, zweifell
niemand. Vgl. die näheren Ausführungen. Staatsfragmente S.28f. Dazu
Spiegel im Österr. Staatswörterbuch III 2. Aufl. 1907 S. 426 £f.
3) Daher ist die Anwendung des Begriffes von Staatsorganen auf
derartige Landesorgane völlig berechtigt und der Einwand Rosenbergs
ın Hirths Annalen 1903 S. 492, Staatsorgane könne nur ein Staat haben,
erledigt.