Full text: Allgemeine Staatslehre

Zwanzigstes Kapitel. Die Staatsformen. 669 
Wenn daher im folgenden die Hauptgattungen der Staats- 
formen in Arten eingeteilt werden, so soll nicht einem leeren, 
ins Detail eindringenden, erschöpfenden scholastischen Schema- 
tismus gefolgt, sondern die Arten hervorgehoben werden, die 
historisch durch den Gegensatz mit der Gegenwart lehrreich ge- 
worden sind oder in der Gegenwart selbst eine scharfe Ausprägung 
erfahren haben. Das praktische Bedürfnis des Verständnisses der 
nie ganz ohne Rest zu erfassenden Wirklichkeit, nicht das logische 
einer tadellosen Systematik, der es niemals vergönnt ist, in voller 
Reinheit in die Erscheinungswelt zu treten, soll uns dabei leiten. 
I. Die Monarchie. 
1. Das Wesen der Monarchie. 
Monarchie ist der von einem physischen Willen gelenkte 
Staat!). Dieser Wille muß rechtlich der höchste, von keinem 
anderen Willen abgeleitete sein?). Die. neuere Staatsrechtslehre 
pflegt es überdies als dem Monarchen wesentlich zu bezeichnen, 
daß ihm ein eigenes und zwar ursprüngliches, von niemand 
abgeleitetes Recht auf die Herrschaft zusteht. Wie bereits 
nachgewiesen, entspricht diese Vorstellung nieht der Auffassung 
des Staates als einer Einheit; sie entstammt dem dualistischen, 
das öffentliche Recht nur unvollkommen erfassenden Staats- 
begriff. Sie ist privatrechtlicher Natur, indem sie den Monarchen 
außerhalb des Staates und damit außerhalb des rechtlichen 
Zusammenhangs mit dem Staate stellt. Sie kann konsequent 
nur in einer theokratischen oder patrimonialen Staatsauffassung 
durchgeführt werden. Es gab daher Staaten, in denen eine 
  
1) Abweichender Ansicht Bernatzik, Republik und Monarchie; 
vgl. hierzu meine oben S. 473 zitierte Besprechung. Br. Schmidt, 
S.117ff., kommt zur Verwerfung des Gegensatzes von Monarchie und 
Republik, weil sich ihm bei der Betrachtung der Monarchie politische 
Gesichtspunkte einmengen. Vgl. auch die Bemerkungen von Rehm, 
Staatslehre S.182 N. 3, der neuerdings die dem Staatshaupte zustehenden 
fürstlichen Ehren zum Begriffsmerkmal der Monarchie erhebt: Kleine 
‚Staatslehre S.61ff., im Gegensatz zu Staatslehre S. 183. Aber ein vier- 
jähriger Präsident wird auch bei königlichen Ehren nicht als Monarch 
angesehen werden, weder vom Volk noch von der Wissenschaft. 
2) Daß dies auch in den Monarchien der Fall sein kann, die das 
Prinzip der Nationalsouveränetät verfassungsmäßig ausgesprochen haben, 
vgl. oben S.591f.
	        
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