Full text: Allgemeine Staatslehre

Zwanzigstes Kapitel. Die Staatsformen. 671 
Vorstellungskreis entlehnte, zuerst von den Angelsachsen geübte 
Salbung bedeutet die Erfüllung des Königs mit höherer, direkt 
von Gott stammender Macht. Von den Franzosen wurde die 
Salbung sogar als ein selbständiges Sakraımnent der Kirche be- 
trachtet!). In den modernen Vorstellungen des Königtums von 
Gottes Gnaden lebt die Auffassung des Königtums als göttlicher 
Statthalterschaft bis auf den heutigen Tag fort. Eine besondere 
Art des erörterten Typus ist die patriarchalische Mon- 
archie, die den Herrscher ebenfalls mit göttlichen Attributen um- 
geben oder doch mit göttlicher Weihe ausgestattet wähnt und 
nur aus dem religiösen Vorstellungskreis des betreffenden Volkes 
völlig begriffen werden kann. 
Von den psychologischen Voraussetzungen dieses Typus aus 
kann der Monarch niemals als Glied des Staates rechtlich be- 
griffen werden. Er steht notwendig außerhalb des Staates, der 
dem Monarchen gegenüber niemals Rechtssubjektivität gewinnen 
kann. Ebensowenig ist von diesem Standpunkt aus der Charakter 
des Staates als Gemeinwesens zu erkennen, daher auch nicht die 
Vorstellung von einem Rechte des einzelnen gegenüber dem 
Monarchen vorhanden ist. Doch kann trotzdem in der zweiten 
Form theokratischer Ordnung eine Mäßigung der monarchischen 
Gewalt stattfinden, wie denn auch das neuere Königtum iure 
divino religiös-ethische Schranken seiner Macht anerkennen mußte, 
für deren Einhaltung es allerdings sich keiner irdischen Macht 
verantwortlich erklären wollte?). 
b) Der Monarch als Eigentümer des Staates. 
Dieser Typus hat wie der vorige mehr oder weniger scharfe Aus- 
bildung erfahren. Er verhindert nicht minder als der vorige die 
Erkenntnis der Gemeinwesensart des Staates. In seiner schärfsten 
Ausprägung stehen Menschen und deren Güter dem Monarchen 
überwiegend als Herrschaftsobjekt gegenüber. Nur soweit der 
Herrscherwille es gestattet, kann dem einzelnen eine prekäre, 
niemals aber gegen den Monarchen selbst geltende Rechts- 
  
1) „L’Eglise en oignant et en habillant le roi, le fait membre de 
l’Eglise eille-möme. Elle cr&e pour lui un huiti&me sacrament: le sacre‘“. 
Rambaud Histoire de la civilisation frangaise, 7. &d. I 1898 p. 167. 
2) Ludwig XIV.: „Celui qui a donn& des rois aux hommes a voulu 
qu’on les respectät comme ses lieutenants, se reservant & lui seul d’exa- 
miner leur conduite; sa volont& est que quiconque est ne sujet ob£eisse 
sans discernement.' (Euvres 1806 II p. 336,
	        
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