Zwanzigstes Kapitel. Die Staatsformen. 677
Monarchen auf die Staatsgewalt, derzufolge der Inhalt der mon-
archischen Funktionen selbst individuelles Recht des Monarchen
sei, ist, wie schon erwähnt, dem Ideenkreise der theokratischen
oder patrimonialen Staatslchre entlehnt, weil sie, zu Ende gedacht,
den Monarchen außerhalb des Staates stellt!). Sie konnte wissen-
schaftlich noch gestützt werden durch die Idee der absorptiven
Repräsentation des Volkes durch den Monarchen zu einer Zeit,
wo die naturrechtliche Herleitung des körperschaftlichen Charakters
des Staates in ihren Grundirrtümern noch nicht bekannt war.
Mit den juristischen Grundanschauungen früherer Epochen hängt
auch die Formel von dem Monarchen als Inhaber der gesamten
Staatsgewalt zusammen. Sie entspricht am reinsten den Ver-
hältnissen des absoluten Staates.
Gegenüber dem wohlausgebildeten Bau der heutigen kon-
stitutionellen Monarchie bietet aber die Lehre vom Monarchen, der
alle Rechte der Staatsgewalt in sich vereinigt, keine reale Er-
kenntnis mehr, sondern ist zu einer Fiktion geworden, die nicht
mehr mit der Wirklichkeit des rechtlichen Tatbestandes überein-
stimmt. Ein großer und wichtiger Teil der staatlichen Funktionen
ist gänzlich dem monarchischen Willen entrückt. Vor allem die
richterliche Tätigkeit. Der Monarch hat nicht mehr das Recht
zu richten, das ihm ehemals zustand. Der Satz, der Monarch ist
Inhaber der richterlichen Gewalt, ist nur ein Ausdruck für die
geschichtliche Tatsache, daß er ehedem in Person richtete?).
1) Ed.Loening, Die Gerichtsbarkeit über fremde Staaten und
Souveräne 1903 S. 143, behauptet, der Monarch sei nicht Staatsorgan,
sondern Inhaber des Rechtes, zu herrschen, das daher nicht vom Staate
stammen kann. Auch v. Martitz, der doch die körperschaftliche Natur
des modernen Staates völlig zutreffend erkannt hat, findet a.a. 0. S.28
als Merkmal eines monarchischen Staatsoberhauptes seine Herrscher-
stellung, deren Wesen ein Recht an dem körperschaftlichen Staats-
verbande ist. Ein Recht an dem Verband kann aber nicht ein Recht
aus dem Verband sein, setzt daher ebenfalls eine über dem Verband
stehende Rechtsordnung voraus. Die Herrscherstellung des Monarchen
ist genügend durch die Tatsache erklärt, daß er unmittelbar als Indi-
viduum höchste staatliche Gewalt hat, während sie in der Republik
niemals einem einzelnen zukommt.
2) Noch erhalten war bis 1909 ein Rest dieses Königsrechts in
Schweden, wo der Monarch das Recht hatte, an allen Sachen teil-
zunehmen, die in dem höchsten Gerichtshof vorgetragen und entschieden
wurden, in der Regel aber nur, sofern er persönlich im Gericht an-
wesend war. Er hatte dabei nur zwei Stimmen und konnte überstimmt