680 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
der freien Entscheidung über das, was Recht werden soll, die
freie, in der Pflege internationaler Beziehungen, im Vertrags-
schlußB und dem Recht über Krieg und Frieden sich äußernde
Tätigkeit nach außen, der Oberbefehl über das Heer, die Er-
nennung der Minister und anderer Beamten, das Recht der Be-
gnadigung sind in der wirklichen, von Fiktionen freien Kompetenz
des Monarchen enthalten. Auf diesen Gebieten besteht auch ein
wahres, freies Befehlsrecht des Monarchen, das dort, wo die Ver-
pflichtung zur Anordnung im Gesetze enthalten ist, ausgeschlossen
erscheint. Nur in dem Sinne, daß die ganze Staatsordnung
heute eine gesetzliche ist, das Gesetz aber einmal Inhalt des
monarchischen Willens gewesen sein muß und fortdauernd als
dem Willen des Gesetzgebers entspringend gedacht wird, kann
man auch heute noch die gesamte Staatsgewalt als potentiell im
Monarchen enthalten denken. Das ist aber nicht der lebendige
Monarch, sondern die abstrakte Institution.
Solange diese höchste, den Staat in Tätigkeit setzende und
erhaltende Gewalt in der Hand eines einzigen ruht, ist der Staat
Monarchie, welche Gewalten auch immer sonst noch staatliche
Zwecke versehen. Die Monarchie erlangt gerade dadurch eine
so große Anpassungsfähigkeit an die verschiedensten historischen
und sozialen Verhältnisse, daß die größten Unterschiede in dem
realen Maße staatlicher Gewalt des Monarchen mit Begriff und
Wesen der Monarchie vereinbar sind. Die dem Monarchen zu-
stehende staatsbewegende Tätigkeit kann mit der umfassendsten,
aber auch mit sehr geringer Macht über das ganze Staatsleben
verknüpft sein. Eines ist aber allen Monarchien gemeinsam:
mit dem Ausschalten der monarchischen Gewalt würde der Staat
sofort in seinen wichtigsten Funktionen gestört erscheinen und
der Anarchie anheimfallen. Dies möge an dem Beispiele einer
Monarchie veranschaulicht werden, in welcher heute die Krone
das denkbar geringste Maß realer Macht hat.
Im heutigen England ruht das Schwergewicht der Staats-
gewalt im Parlamente. Das Parlament gibt Gesetze, denen der
König seit fast zwei Jahrhunderten seine Zustimmung niemals
verweigert hat; das Kabinett, ein Ausschuß der Parlaments-
majorität, wird formell zwar vom König ernannt, in Wahrheit
aber vom Parlament designiert, indem der Führer der Unterhaus-
majorität oder eine ihr entsprechende Persönlichkeit des Ober-
hauses, von der Krone zum Premierminister bestellt, die übrigen