Zwanzigstes Kapitel. Die Staatsformen. 683
quieuschen Fassung hat diese wichtige Rechtstatsache gänzlich
verkannt, indem sie dem Monarchen bloß die den beiden anderen
nebengeordnete exekutive Gewalt zugeteilt wissen wollte, was
praktisch den Staat zur Untätigkeit oder zu innerem Kampfe
verurteilen würde. Alles Leben kann im Einheitsstaate nur von
einem Zentrum ausgehen. Wäre es möglich, in einer lebendigen
Einheit, wie es der Staat ist, mehrere solche gleichwertige Zentren
zu schaffen, so wäre schließlich dauernde Anarchie die Folge
solchen Beginnens.
Ist demnach der Satz: alle Gewalt ist notwendig beim Könige,
unrichtig, so gilt doch von allen Monarchien, selbst von den-
jenigen, die das demokratische Prinzip in ihren Verfassungen ver-
kündigt haben, daß alle staatlichen Funktionen ihren Ausgangs-
punkt und daher auch ihren Einigungspunkt im Monarchen haben.
Vereinbar hingegen mit der Einheit des Staates ist eine Verteilung
staatlicher Macht an verschiedene Organe unter dem Monarchen,
die als solche ja nur Glieder des einheitlichen Staates sind,
ebenso Machtzuweisung an nichtstaatliche Verbände, sofern sie nur
zugleich die Funktionen staatlicher Organe versehen oder vom
Staate ın ihrer öffentlich:rechtlichen Tätigkeit kontrolliert werden.
Auch die Gesetzgebungs-Initiative der Kammern ist der Mon-
archie .nicht widersprechend !), wenn nur der also erfolgte Anstoß
nicht durch den Kammerwillen selbst verbindliche Kraft erhält.
In der Monarchie müssen daher alle übrigen Organe dem
Monarchen zwar nicht notwendigerweise untergeordnet, aber doch
mindestens nach der Richtung von ihm abhängig sein, daß ent-
weder ihre Tätigkeit, ıhr ununterbrochenes Funktionieren oder
doch die Verleihung der Gesetzeskraft an ihre Beschlüsse von
seinem Willen abhängt. Das zeigen im modernen Staate die
Kammern, die in vielen Staaten ohne den Monarchen ihre Tätig-
keit nicht beginnen und von ihm überall unter verschiedenen
Bedingungen außer Tätigkeit gesetzt werden können?), überall
1) Noch von Gerber, Grundzüge S.126 N.2, für prinzipiell be-
denklich erklärt.
2) Selbst in Norwegen, dem einzigen Staate, in dem dem König ein
Auflösungsrecht der Kammern nicht zusteht, konnte er vor der Ver-
fassungsänderung vom 12.3.1908 das Storthing nach zweimonatlicher
Session schließen. Hat er es zu außerordentlicher Session zusamınen-
berufen, so steht ihm der Zeitpunkt der Schließung vollkommen frei.
Matter a.a.0. p.237; Morgenstierne Das Staatsrecht des König-
reichs Norwegen i911 S. 57, 69 £.