692 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
Wähler durch den Gewählten, irgendeine Delegation von Rechten
durch den Wahlakt findet nicht statt. Die Wahlmonarchie gehört
demnach zur Monarchie, allfällige Interregna nichtmonarchischen
Charakters abgerechnet, nicht, wie häufig behauptet wurde, zur
Republik. Allerdings besitzt die Wahlmonarchie die Neigung,
mindestens zu einer politischen Suprematie der Wähler zu führen,
daher alle kräftigen Monarchien Erbmonarchien waren oder
schließlich wurden. Den Übergang von der Wahl- zur Erb-
monarchie bildet die Wahl aus den Mitgliedern eines bestimmten
Geschlechtes, die in mittelalierlichen Reichen häufig geübt wurde.
Die Wahl kann nur auf Lebenszeit erfolgen; jede Befristung der
Wahl widerspricht dem Typus der entwickelten Monarchie. Hin-
gegen kann Lebenslänglichkeit des obersten Regierungsamtes noch
keineswegs als Zeichen der Monarchie gelten; man denke an
den Lord Protektor der englischen Republik!) und den Erb-
statthalter der Niederlande. Selbst in Republiken der Gegenwart
kommen lebenslängliche Mitglieder des regierenden Kollegiums
vor, wie die Senatoren der Hansestädte beweisen.
Die Wahlmonarchie ist aus der heutigen Staatenordnung ver-
schwunden; nur Bulgarien bildet nach dem Buchstaben des Berliner
1) Das Commonwealth of England gehört zu den merkwürdigsten
Staatsbildungen. Eingehendere rechtliche und politische Untersuchung
ıst ihm erst kürzlich von Esmein, Les constitutions du protectorat de
Cromwell, Revue du droit public XII 1899 p. 193 ff. und 404ff., zuteil
geworden. Über die Verfassungen des Protektorates vgl. auch Roth-
schild a.a.0. S.ı4lff. Die wechselnden Verfassungsverhältnisse der
Republik, die als militärische Diktatur beginnt und zugrunde geht, ehe
sie eine dauernde Form gewinnen kann, hatten bisher diesen Mangel
bewirkt. (Ein Überblick bei Gneist Englische Verfassungsgeschichte
1882 S.579ff. und bei Hatschek Englische Verfassungsgeschichte
1913 S.337ff.). Auf Grund des Instrument of Government hat der
Lord Protektor eine fast königliche Stellung, ist aber durch einen vom
Parlament zu repräsentierenden Staatsrat sehr eingeschränkt; bei Ge-
setzen hat er binnen zwanzig Tagen entweder seine Zustimmung zu
erklären oder das Parlament zu bewegen, die Bill zurückzuziehen,
widrigenfalls sie Gesetz wird, sofern sie nicht gegen das Instrument
verstößt. Vom Monarchen ist der Protektor durch seine als selbst-
verständlich gedachte Verantwortlichkeit unterschieden. Sie ist nicht
ausdrücklich ausgesprochen. Wer aber Verurteilung und Hinrichtung
des Königs zuließ, konnte unmöglich einem den Königstitel nicht
führenden Staatshaupte Unverantwortlichkeit vindizieren. — Über Wahl.
monarchie und Republik vgl. auch G. Jellinek Kampf d. alt. m. d. neuen
Recht N. 22.