Full text: Allgemeine Staatslehre

Zweites Kapitel. Die Methodik der Staaislehre. 41 
so schädlichen Doktrinarismus, der die gegebenen Verhältnisse 
nach einem Urbilde selbst dann umgestalten will, wenn sie einer 
derartigen Behandlung noch so sehr widerstreben!). 
Die wissenschaftliche Bedeutung, welche dem Suchen und 
Gewinnen empirischer Typen zukommt, läßt sich unter folgende 
Gesichtspunkte zusammenfassen. Theoretisch befriedigt es vor 
allem das synthetische Bedürfnis, welches die Vielheit der Er- 
scheinungen zu Einheiten zusammenzufassen bestrebt ist, darin 
mit den höchsten Zielen der Wissenschaft überhaupt überein- 
stimmend. Aber nicht nur Klarheit und Einheit in der Fülle, 
sondern auch gründliches Verstehen der Einzelerscheinung ist ıhr 
Zweck, da diese erst dadurch gleichsam ihren Standort im ganzen 
Gebiete der sozialen Prozesse erhält. Durch die Aufzeigung der 
typischen Elemente wird ferner, wie bereits erwähnt, auch die 
individuelle Eigenart eines jeden politischen Gebildes als des im 
Typus nicht enthaltenen Restes seiner Eigenschaften erkannt. 
Nach der praktischen Seite hin aber zeigt sich der Typus 
als heuristisches Prinzip. Aus ihm lassen sich nämlich im 
Einzelfalle mit großer Wahrscheinlichkeit bestimmte Folgerungen 
für das Leben des ındividuellen staatlichen Phänomens ableiten. 
Gleicher Typus deutet auf analoge Gestaltung der so beschaffenen 
Bildungen auch für die Zukunft hin. Wenn man von den Lehren 
der Geschichte spricht, so hat man damit — bewußt oder un- 
bewußt — das typische Element in den menschlichen Dingen 
vor Augen. Nur weil unter ähnlichen Bedingungen Ähnliches 
sich wiederholt, kann überhaupt die Geschichte zur Lehrmeisterin 
werden. Nur weil das staatliche Leben im Veränderlichen 
Bleibendes aufweist, ist eine Politik im wissenschaftlichen Sinne, 
eine Lehre von der vernünftigen Gestaltung staatlicher Dinge, 
überhaupt möglich. 
Die Typen, nach denen die Staatslehre zu forschen hat, sind 
gemäß den zwei wissenschaftlichen Positionen, von denen aus 
der Staat betrachtet werden kann, der historisch-sozialen und der 
juristischen; doppelter Art. Daher sind auch verschiedene Methoden 
zur Erforschung der einen und der anderen Seite des Staats- 
lebens notwendig. Das gesellschaftliche Wesen des Staates wird 
mittelst der in den historischen und Sozialwissenschaften geltenden 
  
1!) Jede Formulierung eines Typus trägt daher stillschweigend die 
beiden Klauseln: ‚in der Regel“ und ‚rebus sic stantibus“ in sich.
	        
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