Full text: Allgemeine Staatslehre

695 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
Gerichtsbarkeit geübt, unterworfen ist, die sich aber häufig als 
praktisch wenig bedeutungsvoll erweist. So herrschen denn im 
ausgebildeten Typus des ständischen Staates zwei voneinander 
getrennte Gewalten teils nebeneinander, teils miteinander, teils 
aber auch gegeneinander. 
Dieses grundsätzliche Verhältnis zwischen Krone und Ständen 
modifiziert sich aber in mannigfaltiger Weise. Gemäß der Eigen- 
art des einzelnen Staates erscheint bald die Krone, bald der 
ständische Körper als das mächtigere Element, was dem ganzen 
Staatsleben sein eigentümliches Gepräge aufdrückt. Zusammen- 
fassung beider Elemente zur Einheit scheint in vielen Staaten 
nur durch Vernichtung der Selbständigkeit des einen möglich, 
so daß absolute Monarchie oder ständische Republik Ende des 
Kampfes ist. In manchen kontinentalen Staaten zeigen sich 
ferner im Laufe der ständischen Entwicklung Ansätze einer 
Wandlung der Stände zu Staatsorganen. Die Stände betrachten 
sich da häufig als die politische Nation und damit als Repräsen- 
tanten des ganzen Volkes!), in welchem Beginnen häufig die staats- 
rechtliche Literatur vorangeht. Die Klagen und Beschwerden, die 
sie auf Reichs- und Landtagen vorbringen, gelten nicht sowohl 
als ständische Gravamina denn als Landesbeschwerden. Dieser 
repräsentative Gedanke kann aber im ständischen Staate niemals 
klar durchgeführt werden, einmal, weil die Privilegien, die Vor- 
rechte einzelner und ganzer Klassen eine zu große Rolle spielen, 
dann aber auch, weil es infolge der weite Kreise des Volkes 
beherrschenden persönlichen Unfreiheit zu einem einheitlich 
gestalteten Begriffe des Volkes nicht kommen kann. In manchen 
Staaten bleiben die Stände in dieser hybriden Form bis in 
das 19. Jahrhundert hinein bestehen, so in Schweden, Ungarn 
und in einigen deutschen Territorien bis in die Zeit des 
Deutschen Bundes. Ja, noch in die Gegenwart ragten in Finnland 
(1906) und ragen in Mecklenburg die Überreste des ständischen 
Staates mit seinem Dualismus herüber, der allerdings den Typus 
einer Zeit trägt, die durch das entschiedene Übergewicht der Krone 
das ständische Korpus zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft 
innerhalb des einheitlich gestalteten monarchischen Staatswesens 
herabgedrückt hat. 
1) So in Frankreich schon 1484; vgl. Mestre a.a.O. p.11. Über 
den repräsentativen Charakter der Landstände in den deutschen Terri- 
torien vgl. v. Below Territorium und Stadt S. 244 ff. 
 
	        
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