08 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
Erwarten einmal ein königliches Recht zweifelhaft sein, so würde
es de iure dennoch nicht dem ebenfalls nach dem Buchstaben
der Verfassung nur mit delegierter Gewalt ausgestatteten Parla-
ment als zurückbehaltenes Recht zustehen. Nun hat aber die
souveräne Nation als primäres Staatsorgan weder ein Recht der
Leitung noch der Bestätigung staatlicher Aktionen, so daß nicht
die Nation, sondern der König rechtlich das höchste Organ des
Staates ıst. Allein diese und ähnliche Verfassungen sind zugleich
der Ausdruck für die geschichtliche Tatsache, daß sie durch
demokratische Mächte entstanden sind; sie erzählen in den ein-
schlägigen Bestimmungen von ihrem Ursprung und konstatieren
damit in politischer Hinsicht das Machtverhältnis der staatlichen
Faktoren. Daher ist in ihnen die Stellung der Kammern als Re-
präsentanten der Nation um so mehr eine politisch überragende,
als die in Frankreich sich vollendende Theorie der europäischen
Demokratie, im Gegensatz zu dem amerikanischen Prinzip der
Koordination der Gewalten, den gesetzgebenden Organen die herr-
schende Stellung gegenüber der Exekutive anzuweisen bestrebt ist.
Nicht die Nation, wohl aber die Kammern werden gegebenen-
falls das ursprüngliche Recht des Volkes gegen den seine Kompetenz
zu erweitern versuchenden König geltend machen. Daher ist die
parlamentarische Monarchie in diesen Verfassungen vorgebildet,
wenn auch nicht ausgesprochen. Denn nur ın dieser Form kann
die Anerkennung des demokratischen Prinzipes irgendeinen prak-
tisch-politischen Sınn bekommen. Die ausdrückliche Anerken-
nung dieses Prinzipes kann übrigens durch die konkreten ge-
schichtlichen Verhältnisse, unter denen die Verfassung ihr Leben
führt, ersetzt werden, was z. B. der Fall in Italien ist. Das
sardinische Statut von 1848 ist ganz wie die Charte von 1814 vom
König oktroyiert worden. Es ist heute zur Verfassung des König-
reıchs Italien geworden. Während aber in Sardinien die ange-
stammte königliche Gewalt die Vorherrschaft hatte, hat sich
in dem unter der energischen Mitwirkung revolutionärer Mächte
gebildeten Italien die parlamentarische Regierung durchgesetzt.
So ruht denn die parlamentarische Monarchie auf dem Kon-
tinente, trotzdem sıe das englische Vorbild zu kopieren bestrebt
war, auf ganz anderem Boden als dieses. In England Produkt
Kammern (Budgetrecht, Genehmigung von Staatsverträgen) sind aber
auch in altmonarchischen Staaten eingeführt worden.