30 ‚Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
und einer großen Zahl ihrer Kantone!), oder es sind bestimmte
gesetzgeberische Akte der Sanktion des Volkes vorbehalten, wie in
manchen Verfassungen der amerikanischen Einzelstaaten ?). Oder
es sind endlich alle von den Repräsentanten, beschlossenen Gesetze
vom Volke zu bestätigen, wie in einem Teil der schweizer
Kantone (System des obligatorischen Referendums).
Ferner kann der Anteil des Volkes an der Gesetzgebung dadurch
gemehri werden, daß ihm, d. h. einem verfassungsmäßig fest-
gestellten Bruchteil, das Recht der Initiative zuerteilt wird, dem-
zufolge die Repräsentanten den Initiativantrag durchzuberaten
haben und entweder diesen selbst nebst ihrem Beschlusse oder
auch nur ihren Beschluß alleın dem Volke vorzulegen haben.
Auch hier sind zwei Arten zu unterscheiden: die Initiative zu
Verfassungsänderungen und die zu einfachen Gesetzen. Beide
sind in der Schweiz durchgeführt. Die Eidgenossenschaft?) kennt
nur die Verfassungsinitiative, die Kantone diese und teilweise
auch die zweite®). Durch all diese verschiedenen Formen: Ver-
1) In der Eidgenossenschaft können 30 000 stimmberechtigte Schweizer-
bürger eine Volksabstimmung verlangen (Bundesverfassung Art. 89), in
den Kantonen sinkt die Zahl der Antragsberechtigten bis auf 500 (Zug).
Auch freiwillig können die Legislaturen der Kantone Beschlüsse der
Volksabstimmung unterbreiten.
2) Namentlich Aufnahme von Staatsanleihen und Kontrahierung
von Staatsschulden. Über diese und andere Fälle vgl. Oberholtzer
p. 5S1ff., new ed. 1912 p. 173f.
3) Die Verfassungsinitiafive war bereits in der Bundesverfassung
vom 12. September 1848 (Art. 113) so normiert, daß 50000 Schweizer-
bürgern das Recht zusteht, die Revision derart zu verlangen, daß das
Gesamtvolk über diesen Antrag abzustimmen hat. Die revidierte Ver-
fassung vom 5. Juli 1891 (Art, 118—123) unterscheidet Total- und Partial-
revision. Für die erstere hat es bei den bisherigen Bestimmungen sein
Bewenden, für letztere kann ein ausgearbeiteter Entwurf den eid-
genössischen Räten vorgelegt werden, die ihn mit ihren eventuellen
Anträgen dem Volke und den Kantonen zur Abstimmung zu unter-
breiten haben. Über Näheres vgl. M. Veith Der rechtliche Einfluß der
Kantone auf die Bundesgewalt nach schweizerischem Bundesrecht. Straß-
burger Dissert. 1902 S. 103 ff.
+) Im einzelnen herrscht hier große Mannigfaltigkeit: Einzelinitiative
oder Kollektivinitiative, Anregung zur Ausarbeitung eines Gesetz-
entwurfes durch die Legislatur oder Einreichung eines ausgearbeiteten
Entwurfes, mit oder ohne Begutachtungs- oder Anerkennungsrecht des
gesetzgebenden Rates usw. Die detaillierte Untersuchung dieser rechtlich
und politisch interessanten Verhältnisse gehört nicht mehr in den