Full text: Allgemeine Staatslehre

140 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
deutet!). Die Lösung solcher Übereinkommen, ohne daß Ersatz 
durch ähnliche geschaffen werden würde, bedeutete nach unseren 
heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen einen entschiedenen 
Rückschritt der gesamten Kultur, ja, zum nicht geringen Teil 
würden dadurch Zustände hervorgerufen, die unserem Gefühle 
geradezu als barbarisch erschienen. Der also handelnde Staat 
ginge wirtschaftlicher und geistiger Isolierung entgegen, was inner- 
halb der politischen Wirklichkeit schwerlich Raum finden dürfte. 
Jene auf Verträgen und Vereinbarungen beruhenden Institutionen 
kann man daher füglich ebenso als dauernde staatliche Ein- 
richtungen bezeichnen, wie irgendwelche im Laufe der neueren 
Entwicklung des Verwaltungsrechtes und der Rechtspflege ent- 
standenen rein innerstaatlichen Schöpfungen, die trotz aller Um- 
bildungen, die sie erfahren, einen in allen Wandlungen festen 
Typus bewahren. 
Solche Gebundenheit der Staaten widerspricht aber bereits 
dem Souveränetätsbegriff, wie er von der Staatslehre des 16. bis 
15. Jahrhunderts formuliert wurde. Man hat zwar zu jener Zeit 
inkonsequenterweise die Bindung der Staaten durch Verträge 
zugegeben, unter diesen aber, dem Charakter der Verträge jener 
Zeit entsprechend, nur solche verstanden, die durch Herstellung 
eines dauernden Zustandes (z.B. Friedens-, Zessionsverträge) er- 
füllt werden oder kurzfristige Leistungen der Staaten mit ihren 
Machtmitteln zum Inhalt haben. Eine dauernde gegenseitige 
Beschränkung der Gesetzgebung und Verwaltung der Staaten, 
wie sie die modernen Verträge häufig zum Inhalt haben, wäre als 
unzulässige Schmälerung der Souveränetät aufgefaßt worden. 
Kein Staatenbund früherer Zeit hat seine Glieder nach innen 
so eingeschränkt, wie es die Verwaltungsverträge eines modernen 
Staates tun. Daher ist die moderne staats- und völkerrechtliche 
Theorie zu dem Satze gedrängt worden, daß vertragsmäßige Ein- 
schränkungen eines Staates keine Minderung seiner Souveränetät 
bedeuten, was allerdings nicht unwidersprochen geblieben ist. 
Schon an diesem Punkte aber kann man sehen, wie selbst die 
losen und doch dauernden Verbindungen zwischen den Staaten, 
die durch Verwaltungsverträge gegründet werden, auf die Lehre 
vom Staate selbst ihre Wirkung äußern. Jene Fassung des Sou- 
  
1) Vgl. hierzu W.Schücking Der Staatenrerband der Haager 
Konferenzen 1912 S. 41.
	        
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