Full text: Allgemeine Staatslehre

146 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
rechtlich eingehend zu untersuchen, hat wenig Interesse, da bei 
dem Gegensatz der Kulturlage des beschützenden und des be- 
schützten Gemeinwesens das gemeinsame Band einigender Rechts- 
anschauungen um so mehr fehlt, als diese protegierenden Staaten 
gar nicht innerhalb der abendländischen Völkerrechtsgemeinschaft 
stehen. Sind daher solche Verbindungen überwiegend von poli- 
tischem Interesse, so kommen sie doch nach ihrer völkerrecht- 
lichen Seite insofern in Betracht, als dritte Staaten die Pflicht 
haben, ein derartiges völkerrechtlich anerkanntes Verhältnis zu 
respektieren. Ausgeschlossen von den Protektoraten im völker- 
rechtlichen Sinne sind aber alle jene Verhältnisse von koloni- 
sierenden Mächten zu ihren Schutzgebieten, die einem Haupt- 
oder Mutterstaate ein Nebenland schaffen, weil hier das not- 
wendige zweite Glied einer Staatenverbindung mangelt. 
Im Gegensatz zu den erwähnten Fällen muß sich bei den 
Protektoraten und ähnlichen Beziehungen minder mächtiger zu 
mächtigen Staaten, wo beide Teile der vollen Gemeinschaft des 
modernen Völkerrechts teilhaftig sind, das rechtliche Verhältnis 
der Glieder stets genau feststellen lassen. Die Frage, ob bei 
allem politischen Übergewicht des Beschützers Neben- oder 
Unterordnung des Schutzstaates stattfindet, ob er daher souverän 
oder nichtsouverän sei, muß sich in solchen Fällen stets mit 
voller Sicherheit beantworten lassen. Für die politische Be- 
trachtung kann die Selbständigkeit solcher Staaten gänzlich 
mangeln oder zweifelhaft sein; die Schwierigkeit derartiger Fest- 
stellung ist hier viel bedeutender als die rechtlicher Erkenntnis. 
Ein nichtsouveräner Staat kann nämlich nur im Verbande eines 
souveränen bestehen. Daher muß sein Gebiet und Volk not- 
wendig doppelte Eigenschaft erhalten, es muß stets auch Ge- 
biet und Volk des ÖOberstaates sein!). Wenn daher ein Angriff 
  
1) Juristische Abhängigkeitsverhälinisse rein völkerrechtlicher Natur 
ohne staatsrechtliche Wirkungen sucht Rehm, S.%2f.,, nachzuweisen, 
indem er sich auf privatrechtliche Analogien — sogar das bürgerliche 
Gesetzbuch wird herangezogen — beruft. Da erhebt sich wiederum die 
kritische Frage, mit welchem Rechte man Sätze aus der ausgebildeten 
Privatrechtsordnung eines bestimmten Staates zur Konstruktion des 
noch vielfach der Bestimmtheit entbehrenden Völkerrechts verwenden 
darf. Aber selbst wenn man die Zulässigkeit solcher Analogie in dem 
vorliegenden Falle zugibt, so beweist sie nichts. Denn privatrechtliche 
Abhängigkeitsverhältnisse mindern niemals die Persönlichkeit, während 
ein völkerrechtliches Abhängigkeitsverhältnis gerade in einer Minderung
	        
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