Full text: Allgemeine Staatslehre

Einundzwanzigstes Kapitel. Die Staatenverbindungen. 151 
der neueren deutschen Wissenschait festgestellt worden?). Die ur- 
sprüngliche Unterscheidung beider Typen, je nachdem bloß die 
Person des Monarchen oder überdies staatliche Angelegenheiten 
den einzelnen Staaten gemeinsam seien, die noch in der außer- 
deutschen Literatur und in der Sprache der Tagespresse ange- 
troffen wird, ist auf rein äußerlichen Merkmalen basiert und .recht- 
lich belanglos. 
Die Personalunion ist, wie bereits erwähnt, im Rechts- 
sinne keine Verbindung von Staaten, sondern eine staats- und 
völkerrechtliche communio ıncidens des Trägers der höchsten 
staatlichen Organstellung bei völliger gegenseitiger Unabhängig- 
keit der betreffenden Organschaften selbst. Nichts Staatliches ist 
den also verbundenen Gemeinwesen von Rechtswegen gemeinsam; 
alle etwa sonst zwischen ihnen bestehende Gemeinschaft ist daher 
ebenfalls zufällig oder beruht auf anderen Rechtsgründen.?) 
Der Normalfall der Personalunion entsteht durch Zusammen- 
treffen voneinander unabhängiger Berechtigungen zur Trägerschaft 
der Krone in einer Mehrheit von Staaten auf Grund verschiedener 
Thronfolgegesetze3). Sie dauert so lange, als die verschiedenen 
  
1) Reformen in der Terminologie, wie sie Rehm, Staatslehre S. 103, 
und Bernatzik in Grünhuts Zeitschrift XXVI S. 276, vornehmen, sind 
um so mehr abzulehnen, weil hier endlich einmal ein Gebiet ist, 
wo wenigstens in der deutschen publizistischen Wissenschaft seit 
H.A.Zachariae Übereinstimmung herrscht. Gegen diesen so seltenen 
Vorzug sollten selbst sachlich ganz gerechtfertigte Bedenken zurücktreten. 
Nur dadurch kann schließlich die grenzenlose Verwirrung beseitigt 
werden, die in dieser Materie noch immer in der außerdeutschen 
Literatur herrscht. So bezeichnet z.B. Rivier, Principes I p. 95, das 
Verhältnis Großbritannien-Indien als Personalunion, und Grah bei 
Bonfils-Fauchille, S.86, übernimmt diese Ansicht kritiklos, trotz- 
dem wenige Zeilen vorher die Personalunion als zeitlich beschränkt 
bezeichnet und jedem der unierten Staaten ‚seine volle persönliche 
Souveränetät‘‘ zuerkannt wird. 
2) Eine eigentümliche staatsrechtliche Folge hatte die Personalunion 
Großbritannien und Hannover für die Hannoveraner, indem diese als 
Bürger der Vereinigten Königreiche betrachtet wurden, da nach englischem 
Recht jeder Untertan des Königs, wenn auch in dessen Eigenschaft als 
Monarchen eines andren Staates, britischer Bürger ist. Mit der Lösung der 
Personalunion hörte dieses zweite Bürgerrecht der Hannoveraner ipso iure 
auf. Vgl. hierüber Anson 3.ed. 1907 IIl p. 239. 
3) Eine Abweichung von dieser Norm in der heuligen Staatenwelt 
bot die Personalunion zwischen Belgien und dem Kongostaat seit 1855 
dar, die durch die Erwerbung des letzteren durch ersteres am 15. No-
	        
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