194 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
juristischer Konstruktion durch den Hinblick auf das politisch
Mögliche Halt zu gebieten ist.
Wohl aber ist zwischen persönlich unierten Staaten völker-
rechtlicher Zwang nichtkriegerischer Art (Retorsion, selbst Re-
pressalien) möglich, 'wie denn auch eine zwangsweise Unter-
werfung des einen Staates unter den anderen völkerrechtlich
nicht ausgeschlossen ist.
Einer vorübergehenden Lösung der Union kommt es gleich,
wenn in den unierten Staaten an Stelle des verhinderten Mon-
archen verschiedene Regenten herrschen, wie es kurz vor dem
Tode des Königs-Großherzogs Wilhelms III. in den Niederlanden
und in Luxemburg der Fall war, oder wenn der Monarch nach
der Verfassung des einen Staates als volljährig bereits regiert,
in dem anderen aber noch thronunmündig ist und daher durch eine
Regentschaft repräsentiert wird. Denn das Wesentliche und
politisch Bedeutsame der Personalunion, die ja juristisch nur
eine Scheinverbindung ist, liegt eben ausschließlich in der Ge-
meinsamkeit des physischen Substrates des Herrscherwillens, das
hinwegfällt, wenn verschiedene Repräsentanten des einen Indi-
viduums als Bildner des höchsten Willens der einzelnen Staaten
fungieren!).
Die Realunion ist ein auf Vereinbarung?) beruhender
Bund zweier oder mehrerer Staaten, kraft dessen die physische
Person des Fürsten gemeinsam ist, der weiterhin in jedem der
unierten Staaten eine von der anderen rechtlich ganz unabhängige
Organstellung besitzt. Die Realunion ist eine organisierte Ver-
bindung, indem mindestens der gemeinsame Monarch, der stets
im Rechtssinne eine Mehrheit von Herrschern darstellt, in seiner
Person die Organisation der Verbindung darstellt. Dazu können
oder müssen andere vereinbarungsgemäß gemeinsame Angelegen-
heiten kommen. Vereinbarung ist der einzige Rechtsgrund der
mit unseren modernen staats- und völkerrechtlichen Begriffen zu
beurteilenden Realunionen®). Unrichtig ist die Theorie, welche
1) Umgekehrt entsteht eine Art Personalunion, wenn zwei Staaten
zwar nicht den Monarchen gemein haben, aber den Regenten. Einen
solcheu Fall bringt Strupp im Jahrb. d.ö.R. VI 1912 S. 293.
2) Vereinbarung in dem Sinne, wie ich sie, System Kap. XII, nach-
gewiesen habe, als Hervorbringung einer einheitlichen Willenserklärung
durch inhaltlich übereinstimmende Willensakte einer Mehrheit.
3) Zustimmend Aall und Gjelsvik Die norwegisch-schwedische