756 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
Bundesgliedern stehender Oberstaat geschaffen, dessen souveränem
Willen die vereinigten Staaten untertan wären. Die Realunion
ist daher eine völkerrechtliche Verbindung, die wie jede dauernde
Staatenverbindung staatsrechtliche Wirkungen äußert, deren
Stärke sich nach dem Umfange des Bundesverhältnisses richtet.
Näher betrachtet ist sie ein Spezialfall des Staatenbundes, denn
die Aufrechterhaltung der Gemeinsamkeit der Monarchenpersön-
lichkeit ist eine gemeinsame Verpflichtung der unierten Staaten,
daher sie ein dauerndes Defensivbündnis in sich schließt. Des-
halb treten auch realunierte Staaten nach außen hin als Gesamt-
macht auf, wenigstens soweit Krieg und Frieden in Frage kommen.
Der primär völkerrechtliche Charakter der Realunion bei
aller ihrer möglichen Einwirkung auf staatsrechtliche Institutionen
der verbündeten Staaten äußert sich vornehmlich darin, daß sie
kein Gemeinwesen über den verbündeten Staaten schafft, diese
somit keineswegs einer gemeinsamen Bundesgewalt untergeordnet
werden. Es gibt daher in der Realunion selbst bei weitgehender
Gemeinsamkeit keine Uniongesetze als solche, sondern nur auf
Vereinbarung beruhende Gesetze der Bundesglieder, keine in sich
einheitliche, sondern nur eine gemeinsame Verwaltung, die
Finanzwirtschaft ist Sozietäts-, nicht Korporationswirtschaft, die
Kosten der Union werden durch Matrikularbeiträge der Glieder
gedeckt. Es gibt ferner keine einheitliche Staatsangehörigkeit und
kein einheitliches Gebiet. Nur nach außen treten in politischen
Machtfragen die realunierten Staaten als Einheit auf, weil im
völkerrechtlichen Verkehr dauernde Gemeinsamkeit mehrerer
Staaten und innere Einheit eines und desselben Staates, soweit
die Gemeinsamkeit reicht, dieselbe Wirkung hervorrufen. Daher
erscheinen die Angehörigen realunierter Staaten nach außen als
Bundesangehörige, ihr Gebiet als Bundesgebiet, was in prak-
tischer völkerrechtlicher Wirkung die Realunion dem Einheits-
staate annähert.
Realunionen sind erst der neueren Zeit bekannt. Sie setzen
eine entwickelte monarchische Staatsordnung voraus, die dem
Altertum fehlte, solange eine Mehrheit von Staaten der alten, Welt
nebeneinander bestand, sowie auch ausgeprägte staatliche Einheit,
die auf dem Kontinente erst mit dem Siege der :Monarchie über
die Stände eintritt. Ihrer politischen Seite nach sind sie Resultate
mißlungener Bestrebungen, einen Einheitsstaat zu gründen, Kom-
promisse, die meist nur da geschlossen werden, wo nationale