Full text: Allgemeine Staatslehre

Einundzwanzigstes Kapitel. Die Staatenverbindungen. 165 
seitig, zum Zwecke der Erhaltung ihrer Souveränetät gewisse 
Funktionen, entweder nur gemeinsam oder doch unter bestimmten 
Umständen gemeinsam auszuüben. Die liegen aber dem Zwecke 
der Verbindung entsprechend in erster Linie auf dem Gebiete 
der völkerrechtlichen Beziehungen zu anderen Staaten. Gemein- 
same Ausübung des Rechtes über Krieg und Frieden, des Ver- 
trags- und -Gesandtschaftsrechtes innerhalb der bundesmäßigen 
Grenzen sind dem Wesen des Staatenbundes angemessen. Wie 
jeder Verein hat der Staatenbund eine Vereinsgewalt. Diese 
Vereinsgewalt aber, die die Verwaltung der Bundesangelegenheiten 
zu versehen hat, ist keine Staatsgewalt. Sie hat kein Imperium 
über dıe Staaten des Bundes, da ıhr keine staatsrechtlichen Mittel 
zu Gebote stehen, um ihren Willen durchzusetzen. Vielmehr 
kann sie dem widerstrebenden Bundesgliede gegenüber nur völker- 
rechtlichen Zwang anwenden, der da, wo keine grundvertrags- 
mäßige Festsetzung getroffen ist, einfach den Charakter des 
Krieges, andernfalls den der Bundesexekution annimmt, die eben- 
falls mit internationalen Zwangsmaßregeln, z. B. gemeinsamer 
bewaffneter Intervention mehrerer Mächte, um die Einhaltung 
völkerrechtlicher Verpflichtungen von seiten eines Dritten zu 
erzwingen, auf gleicher Linie steht. 
Die gegenteilige Ansicht, welche dem Bunde korporativen 
Charakter und daher der Bundesgewalt Herrschaftsrechte über die 
ihm eingegliederten Staaten zuschreibt!), führt mit zwingender 
Notwendigkeit zur Einordnung des Staatenbundes, unter die 
Kategorie des Staates, und damit wird jedes durchgreifende 
Merkmal zwischen ihm und dem Bundesstaate verwischt 2). 
  
1) Vgl. namentlich G.Meyer Staatsrecht S.40ff.;, Brie Theorie 
der Staatenverbindungen S.84ff.; Haenel Staatsr.I S.118; Le Fır 
S.5llff.;, v. Stengel in Schmollers Jahrbuch 1898 S.795ff., 1132fEf. 
Rehm, Staatslehre S.86ff., will zwei Arten von Staatenbünden, ge- 
sellschaftliche und korporative, unterscheiden. 
2) Dieser unausweichlichen Konsequenz könnte nur die Theorie 
G.Meyers entgehen gemäß dessen Lehre, die das politische Gemein- 
wesen für den weiteren, den Staat für den engeren Begriff hält. Daß 
der Staatenbund Staat sei, behauptet von seinem Standpunkt aus ganz 
folgerichtig v. Stengel, S.1136. Wenn Rehm, Staatsl. S.85 N.1, 
darauf erwidert, daß zum Staatsbegriff unmittelbare Herrschaft über 
Individuen gehört, die beim Staatenbunde fehle, so begibt er sich der 
Möglichkeit, einem Oberstaat mit Vasallenstaaten, wie dem türkischen 
Reich oder einem typisch ausgebildeten Lehnsstaat mit staatlicher Ge- 
staltung seiner Territorien, in welchem dem Oberherrn direkte Herrschaft
	        
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