164 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
Die fortwährend wiederkehrende Behauptung von der Herr-
schaft der Bundesgewalt im Staatenbunde wird durch eine nicht
zu bezweifelnde Erscheinung im Leben der Staatenbünde hervor-
gerufen. Staatenbünde scheinen sowohl nach außen als auch
ihren Gliedern gegenüber als Einheiten zu handeln, deren Wille
von dem ihrer Glieder scharf zu trennen ist. Demgegenüber
muß aber daran festgehalten werden, daß die Zahl der Staaten-
bünde viel zu gering und die völkerrechtliche Ordnung viel zu
wenig konsistent ist, um in ihr das Dasein völkerrechtlicher
Körperschaften, die über ihren Gliedstaaten mit Einheitswillen
ausgerüstet dastehen, nachzuweisen. Im Staate hat sich ja eine
Fülle gesellschaftlicher und körperschaftlicher Bildungen ent-
wickelt. Es wäre aber methodologisch unrichtig, aus dem Dasein
dieser innerstaatlichen Bildungen ohne weiteres auf die Existenz
von überstaatlichen Bildungen derselben Art zu schließen. Es
ist nichts anderes als echtes Naturrecht, von der Positivität des
Völkerrechts vollkommen absehend, völkerrechtliche Verhältnisse
ohne weiteres einem auf dem Boden eines innerstaatlichen Rechts-
systems erwachsenen Begriff einzuordnen und neben die allgemein
anerkannte völkerrechtliche Persönlichkeit des Staates auch die
der Staatenkorporation zu stellen!). Da zudem stete Gemein-
samkeit und innere Einheit einer Vielheit von Staaten dieselben
politischen Wirkungen hervorruft, so genügt jene auf Verein-
barung beruhende Gemeinsamkeit vollkommen, um die körper-
schaftsähnlichen Erscheinungen im Leben der Bünde zu erklären.
Will man aber eine Analogie aus der innerstaatlichen Rechts-
ordnung herbeiziehen, so bietet die einzige angemessene das
Gesamthandverhältnis dar. Der Staatenbund kann daher mit der
Reserve, der alle Analogien unterliegen, als völkerrechtliche Ge-
meinschaft zur gesamten Hand bezeichnet werden?).
nur über die Vasallen zusteht, den Staatscharakter zuzuerkennen. Nun
fallen nach ihm solche Verhältnisse aber (S. 104) unter den Begriff des
Staates. Diesen Widerspruch vermag er nicht zu lösen. Als Staat
fassen ohne Umschweife den Staatenbund auf Kloeppel, Dreißig
Jahre deutscher Kämpfe S.26ff., und Affolter, Hirths Annalen 1903
S.829. Gegen beide vgl. die treffenden Bemerkungen von Anschütz zu
G. Meyer Staatsr. S.41 N.2 und 4 — S, auch oben 8.749 N. 1.
1) Vgl. auch Lehre von den Staatenverbindungen S.177ff., wo ich
allerdings bezüglich der Persönlichkeitsnatur des Staates einen von
meinem jetzigen abweichenden Standpunkt einnahm.
2) Vgl. die Darstellung der Gemeinschaften zur gesamten Hand