Einundzwanzigstes Kapitel. Die Staatenverbindungen. 165
Die Vereinsgewalt des Bundes wird nur über die Mitglieder,
d. h. die Staaten geübt. ‘Daher wendet sie sich nur an die
obersten Staatsorgane; eine Gewalt über die einzelnen Staats-
angehörigen. ıst dem Bunde nicht gegeben. Daher gibt es im
Staatenbunde keine Bundesangehörigkeit des einzelnen. Deshalb
ist auch im Staatenbunde niemals eine sicher wirkende Garantie
dafür gegeben, daß die Bundesbeschlüsse von allen Gliedern
durchgeführt werden. Die Bundesexekution ist, wie jedes völker-
rechtliche Zwangsmittel, stets von den gegenseitigen Machtver-
hältnissen der Bundesglieder abhängig. So war im Deutschen
Bunde den großen Staaten gegenüber die Bundesexekution ein
leeres Wort und die Durchführung der Bundesbeschlüsse in
ihnen tatsächlich nur von ihrem guten Willen abhängig. Da die
Gliedstaaten souverän sind, so streitet ferner die Vermutung
stets für die Freiheit der Gliedstaaten und gegen die Zuständig-
keit der Bundesgewalt. Jede Erweiterung der Bundeskompetenz
kann nur durch einhellige Vereinbarung der Mitglieder erfolgen,
während innerhalb der bestehenden Zuständigkeit Mehrheits-
beschlüsse zulässig sind, die aber keineswegs als Beweis für
eine Oberhoheit der Bundesgewalt über die Staaten verwendet
werden können. Denn Zulässigkeit von. Mehrheitsbeschlüssen
ist für sich allein keineswegs imstande, irgendeinem Verbande
körperschaftlichen Charakter zu verleihen. Mehrheitsbeschlüsse
können sowohl von Körperschaften als von einfachen Gesell-
schaften mit bindender Kraft für die Mitglieder gefaßt werden.
Staatenbünde können gemeinsame Verwaltungsinstitutionen,
gemeinsame Behörden besitzen, es können parlamentarische Dele-
gationen der Gliedstaaten an ihren Beschlüssen teilnehmen, wie
es in dem österreichischen Reformprojekt für den Deutschen
Bund 1863 vorgeschlagen war. All das stört den Typus des
Staatenbundes nicht, sofern nur die Bundesbeschlüsse zu ihrer
Durchführung stets eines Willensaktes der Gliedstaaten bedürfen.
Das Heer der Staatenbünde bestand bisher immer aus Kontin-
genten der Einzelstaaten, ihre Einnahmen aus Beiträgen der Mit-
glieder, aber selbst gemeinsames Heer und gemeinsame Eın-
nahmen könnten in ihm vorkommen. Solange das Prinzip der
Souveränetät der Gliedstaaten rechtlich anerkannt ist, bleibt eine
bei Gierke Deutsches Privatrecht I S. 682ff. und neuerdings Ebers
a.a.0. S.303ff., der sich der hier vertretenen Lehre anschließt.