Full text: Allgemeine Staatslehre

Einundzwanzigstes Kapitel. Die Staatenverbindungen. 167 
die Verfassung war ausdrücklich als ein Vertrag zwischen den 
Staaten bezeichnet, die fortdauernde Souveränetät der verein- 
barenden Staaten ın der Verfassung ausdrücklich anerkannt und 
damit die ganze theoretische Grundlage, auf welcher der neue 
Bund aufgebaut werden sollte. Deren praktisch wichtigste Kon- 
sequenzen waren das Recht der Nullifikation bundesrechtswidriger 
Gesetze durch die in der Minorität verbliebenen Einzelstaaten 
und das Hecht der Sezession der Minoritäten im Falle eines 
tiefgreifenden, auf andere Art nicht lösbaren Konfliktes. Dadurch 
jedoch wäre auch dieser Bund, wenn er sich hätte behaupten 
können, schließlich fordauernd auf den guten Willen seiner Glieder 
gestellt gewesen. Die Bundesgewalt wäre ‚trotz ihrer Ähnlichkeit 
mit einer Staatsgewalt dennoch nur eine Vereinsgewalt gewesen, 
der das wesentliche Merkmal der Staatsgewalt, die Fähigkeit un- 
bedingter, von dem Willen der Untergebenen unabhängiger Herr- 
schaft geinangelt hätte. Die Vermutung hätte stets für die Zu- 
ständigkeit der Glieder gegen die des Bundes gesprochen, und 
eine Erweiterung der Bundeskoınpetenz wäre kraft des Rechtes 
der Nullifikation und Sezession schließlich doch von dem ein- 
helligen Willen der Gliedstaaten abhängig’ gewesen. Immerhin 
lehrt dieser Versuch, einen neuen Typus des Staatenbundes zu 
schaffen, welch weitgehender Abweichungen von dem herkömm- 
lichen Typus diese Verbindungsform fähig ist. 
Daher kann man als notwendig feststehendes Merkmal des 
Staatenbundes nur die Souveränetät der Bundesglieder bezeichnen. 
Sie allein ist das unterscheidende Merkmal des Staatenbundes 
von der neueren staatsrechtlichen Form der Staatenverbindungen, 
dem Bundesstaate. 
Mit diesem Resultate stimmt auch nach anderer Richtung 
hin die juristische Erkenntnis überein. Jede auf einer völker- 
rechtlichen Vereinbarung ruhende Staatenverbindung ist in ihrem 
Bestande abhängig davon, daß sie nicht mit den höchsten Sonder- 
interessen der Glieder kollidiere. Niemals ist der Staat irgend- 
eines Vertrages, sondern stets der Vertrag des Staates wegen da. 
Die Pflicht der Vertragstreue hat an der Existenz des also ge- 
bundenen Staates seine Grenzen; die der Gesetzeserfüllung hın- 
gegen kann bis zur Aufopferung des Verbandes gehen. Dem hat 
auch die politische Wirklichkeit entsprochen, die den für ewig 
erklärten Deutschen Bund zerriß, als seine Fortexistenz mit den 
höchsten Interessen seines mächtigsten Gliedes in Kampf geriet.
	        
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