Einundzwanzigstes Kapitel. Die Staatenverbindungen. 769
zur Bildung von Staatenbünden gewesen. Keiner von ihnen hat
sich aber bei längerer Dauer bewährt und zu erhalten vermocht,
wenigstens seit Ausbildung der modernen Staatensysteme, inner-
halb deren erst, im Gegensatz zu den unklaren mittelalterlichen
Verhältnissen, der Staatenbund als ausgeprägte Verbindungsform
entstehen konnte. Entweder ist der Einheitsstaat — in den
Niederlanden — oder der Bundesstaat an ihre Stelle getreten.
Die Versuche, welche ım 19. Jahrhundert in Zentralamertka mit
der Schaffung von Staatenbünden gemacht wurden, haben zu
keinem bleibenden Resultate geführt. Sie sind entweder aus-
einandergefallen oder nicht zustandegekommen. Auch sie be-
stätigen den Satz, daß sich ein Staatenbund auf die Dauer nicht
zu erhalten imstande ist. Er zählt daher bereits heute zu den
ausgestorbenen Arten der Staatenverbindungen. Hat doch unseren
Erörterungen zufolge selbst die beständigere Form der Realunion,
die wir als Spezialfall des Staatenbundes kennen gelernt haben,
keine Aussicht, künftig in neuen Exemplaren dargestellt zu
werden.
5. Der Bundesstaat. Der Bundesstaat ist ein aus einer
Mehrheit von Staaten gebildeter souveräner Staat, dessen Staats-
gewalt aus seinen zu staatlicher Einheit verbundenen Gliedstaaten
hervorgeht). Er ist eine staatsrechtliche Staatenverbindung, die
eine Herrschaft über die verbundenen Staaten aufrichtet, deren
Teilnehmer jedoch stets die Staaten selbst sind, so daß sie zu-
gleich in ihrer Gesamtheit herrschen oder doch mitherrschen,
als einzelne hingegen auf bestimmten Gebieten untertan sind.
Die Möglichkeit des Bundesstaates hängt innig mit der Lehre
zusammen, die Souveränetät für kein wesentliches Merkmal des
Staates erklärt und demnach souveräne und nichtsouveräne
Staaten unterscheidet?). Andernfalls ist das, was man Bundes-
1) Laband, IS.60, bezeichnet als Bundesstaat Jen Staat, in
welchem die Staatsgewalt der Gesamtheit der Mitgliedsstaaten zusteht.
Dann aber wären die Vereinigten Staaten von Amerika kein Bundesstaat,
weil das einheitliche Volk als den Staaten gleichartiges Organ der
Bundesstaatsgewalt erscheint. Allerdings schränkt Laband seinen Satz
selbst ein, indem er weiter nur von Beteiligung der Staaten an der
Herstiellung des Gesamtwillens spricht. Dieser vorsichtigeren Formu-
lierung hat sich Rehm, Staatslehre S. 86, angeschlossen, indem er den
Gliedstaaten bloß einen Anteil an der Bundesstaatsgewalt zuspricht.
2) Die Scheidung von souveränen und nichtsouveränen Staaten ist
für die Lehre von den modernen Bundesverhältnissen zuerst von
G. Jellinek, Allg. Staatslehre. 3. Aufl. 49