112 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
Bestimmungen, durch welche außerdem auf die Staaten in der
Organisation der Bundesgewalt Rücksicht genommen wird, wie
z. B. in der Abgrenzung der nıemals das Gebiet mehrerer Staaten
umfassenden Wahlkreise im Deutschen Reiche und der Schweiz,
die Verteilung der Schweizer Bundesräte auf verschiedene Kan-
tone, ferner das den Staaten der nordamerikanischen Union
eingeräumte Recht, durch ihre Wahlgesetze zugleich die Be-
dingungen für das Wahlrecht zum Repräsentantenhaus und zur
Präsidentschaft festzusetzen.
In der Zusammenfassung der Organe der Staaten zu einem
kollegialisch organisierten Organ des Bundesstaates prägt sich
namentlich dessen föderalistischer Charakter aus, während die
übrigen Organe ein durchaus unitarisches Gepräge tragen!).
Soweit die bundesgewaltfreie Sphäre der Gliedstaaten reicht,
aber auch nur so weit, ist ihr Charakter als Staaten gewahrt,
wenn auch der Sprachgebrauch diese juristisch allein zutreffende
Unterscheidung nicht mitmacht und die Glieder eines Bundes-
staates in allen ihren Beziehungen als Staaten bezeichnet. Die
verschiedenen Qualitäten der Bundesglieder müssen aber scharf
voneinander geschieden werden, um die rechtliche Natur des
Bundesstaates zutreffend zu erfassen. Die richtige Erkenntnis
des Wesens der Bundesglieder wehrt nämlich der Auffassung
des Bundesstaates als einer Staatenkorporation?2). Dieser Begriff
ist ein in sich widerspruchsvoller und daher nicht realisierbar.
Die Staatenkörperschaft soll über ihre Mitglieder herrschen. So-
weit aber ein Verband von einem anderen beherrscht wird,
ist seine Qualität als Staat ausgeschlossen. Herrschen ist die
drei Viertel das der Ratifikation der beschlossenen Änderungen. In der
Schweiz (Bundesverf. Art. 93) hat jeder Kanton die Initiative für alle
Arten von Gesetzen, und die Majorität der Kantone entscheidet mit der
Mehrheit der Schweizerbürger über die Revision. Die einschlägigen
Verhältnisse der anderen amerikanischen Bundesstaaten (Mexiko, Vene-
zuela, Argentinien, Brasilien) bei Le Fur, p.219ff. Ob diese Staaten
alle tatsächlich unter den Begriff des Bundesstaates fallen, kann an
dieser Stelle nicht erörtert werden.
1) Dabei ist aber zu bemerken, daß der Gegensatz von föderalistisch
und unitarisch ein politischer ist. Juristisch sind alle Organe des
Bundesstaates, auch die Staatenkollegien oder deren repräsentierendes
Organ in sich einheitlich, gleich den parlamentarischen Kollegien der
Einzelstaaten.
2) Für das Deutsche Reich Laband I S.97ff. Vgl. dagegen auch
G. Jellinek Lehre von den Staatenverbindungen 5.281 ff.