Full text: Allgemeine Staatslehre

Einundzwanzigstes Kapitel. Die Staatenverbindungen. 173 
Die Gründung des Bundesstaates ist vielmehr eine nationale 
Tat!), die wie der Akt der Staatengründung überhaupt nicht 
juristisch konstruiert werden kann?). Diese nationale Tat wird 
  
neueren Literatur wird seit Kuntze, Der Gesamtakt, Festgabe der 
Leipziger Juristenfakultät für Otto Müller, 1892 S. 80ff., von manchen 
die Gründung des Bundesstaates auf einen Gesamtakt der gründenden 
Staaten zurückgeführt, so Fleiner Die Gründung des Schweizerischen 
Bundesstaates im Jahre 1848, 1898 S.36ff.; Triepel Völkerrecht und 
Landesrecht S.68f. Ähnlich Robinson in der Zeitschr. £.d. ges. 
Staatsw. LIII 1897 S. 615ff.;, Krabbe Die Lehre der Rechtssouveränetät 
1906 S. 237; Coendres in der Zischr. £. Völkerrecht und Bundesstaats- 
recht 111 1909 S. 320 ff. (trotz der Bemerkungen S. 246ff.). Diese Lehre 
übersieht ganz wie die anderen juristischen Konstruktionen der Ent- 
stehung des Bundesstaates, daß auch der Bundesstaat, wie jeder andere 
Staat, zunächst ein soziales, vorjuristisches Dasein hat, an das die 
Rechtsordnung erst anknüpfen, das sie aber nicht schaffen kann. 
Kuntze, S.82, meint selbst, wie ein Staat sich aus freiem Entschlusse 
unter die Oberhoheit eines anderen Staates begeben oder gar in ihm 
aufgehen kann, so kann er auch mit anderen Staaten ein neues Staats- 
wesen errichten. Dabei verkennt Kuntze völlig den tiefen Unterschied, 
der beide Teile voneinander trennt. Gerade die Neuschöpfung eines 
staatlichen Gemeinwesens kann durch den ersten Fall, wo ein Staat in 
eine schon bestehende Staatsordnung tritt, sicherlich nicht erläutert 
werden. Gegen Kuntze auch H.Pohl im Arch. £.ö.R. 20. Bd. 1906 S. 173 ff. 
1) Dieser Satz ist von manchen mißverstanden worden. So von 
Zorn, der, Hirths Annalen 1884 S. 477, meint, daß ich damit das Volks- 
element in Gegensatz zum dynastischen stellen wollte. Vielmehr habe 
ich selbstverständlich die Nation im Kultursinne als die Gesamtheit 
aller Elemente des staatsgründenden Volkes im Auge. Wilhelm I. und 
Bismarck gehören doch wahrlich zur deutschen Nation. Aber auch 
wenn Laband, I S.97 N.1, mir entgegenhält, daß das deutsche Volk 
zwar keine Schöpfung der Einzelstaatswillen sei, wohl aber die staatliche 
Einheit des deutschen Volkes, so steht und fällt dieser Satz mit der 
Annahme, daß der Gründungsvorgang des Norddeutschen Bundes rechtlich 
zu erfassen sei. Lehnt man letztere Lehre ab, so ergibt sich mit Not- 
wendigkeit der von Laband bekämpfte Satz, der nichts als die 
Folgerung aus einer festen Grundanschauung ist. 
2) Vgl. die näheren Ausführungen Lehre von den Staatenverbin- 
dungen S.256ff. Übereinstimmend Zorn StR.I S.30 u. Die deutsche 
Reichsverfassung 2. Aufl. 1913 S.28; Liebe Zeitschrift £.d. ges. Staats- 
wissenschaft 1882 S. 634 ff.; O0. Mejer Einleitung S.301; Borel p. 71,130; 
R. Hudson The North German Confederation, in der Political Science 
Quarterly VI 3, New York 1892, p. 433f.; Bornhak Staatslehre S. 257; 
Bierling Juristische Prinzipienlehre Il 1898 S. 354ff.; Triepel Uni- 
tarismus und Föderalismus 1907 S.26ff.; W. Burckhardt Verfassungs-
	        
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