180 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
anderen stets rechtlich zu werten. Oder der Bundesstaat gibt
die ihm zustehende Gewalt über ein ihm zugehöriges Territorium,
soweit die Sphäre seiner Gliedstaatsgewalten reicht, auf und
schafft damit die Bedingungen ' für eine selbständige staatliche
Organisation dieses Gebietes, das bisher Provinz oder Land war.
In diesem Falle braucht die Unterwerfung unter den Bundesstaat
nicht erst begründet zu werden, da sie der Überrest der früher
vorhanden gewesenen allgemeinen Subjektion ist. Auf diesem
Wege kann sich auch ein Einheitsstaat in einen Bundesstaat ver-
wandeln, wie in jüngster Zeit die Vereinigten Staaten von Bra-
silien gelehrt haben. Hier wurden bloß die Gliedstaaten ge-
schaffen, während der Zentralstaat bereits bestand und durch die
bundesmäßige Organisation, die er erhielt, eine Verfassungs-
veränderung erfuhr. Für die Lehre von der Entstehung und
rechtlichen Möglichkeit des Bundesstaates ist dieser Fall besonders
interessant.
Die Stellung der Gliedstaaten im Bundesstaate ist eine
grundsätzlich gleiche, daher Abweichungen von diesem Grundsatz
besonderer verfassungsmäßiger Festsetzung bedürfen. Diese können
aber die größten Verschiedenheiten herbeiführen. Es kann die
Anteilnahme an der Bundesgewalt für die einzelnen Staaten ab-
gestuft sein, indem Unterschiede in der Stimmberechtigung ein-
geführt werden, oder indem einem Staate eine hegemonische
Stellung eingeräumt wird, wie das im Deutschen Reiche der Fall
ist. Es kann aber auch die staatliche Sphäre einzelner Bundes-
staaten von der Regel abweichend in größerer Ausdehnung an-
erkannt werden, wofür wieder das Deutsche Reich mit den
Reservatrechten einiger Gliedstaaten das hervorragendste Beispiel
bietet.
So sınd denn die Gliedstaaten gleich den Individuen nach
viererlei Beziehungen rechtlich zu betrachten!). In ihrer Unter-
werfung unter den Bundesstaat sind sie staatlichen Charakters
bar. Sodann aber haben sie eine von der Herrschaft der Bundes-
gewalt -freie Sphäre, ın der sich ihre staatliche Natur offenbart.
Sie haben Ansprüche auf Leistungen des Bundesstaates, die ihnen
ebenfalls in ihrer staatlichen Eigenschaft zukommen. Endlich
haben sie als Staaten Ansprüche auf Organstellung im Bundes-
staate, während sie die auf Grund dieser Ansprüche ihnen zu-
ı) Vgl. System der subj. öff. Rechte S. 295 ff.