182 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
er die ihm zustehenden Herrschaftsrechte ausübt. Die Behörden
der Gliedstaaten sind entweder gar nicht der Bundesgewalt unter-
geordnet, wie in den Vereinigten Staaten, oder sie sind, wie im
Deutschen Reiche und der Schweiz, verpflichtet, im Auftrage
des Bundesstaates an dessen Verwaltung teilzunehmen, wodurch
sie den Charakter mittelbarer Bundesbehörden erlangen. Die
Funktionen des Bundesstaates stehen ihm ferner entweder aus-
schließlich zu, oder sie werden von ihm und den Gliedstaaten
geübt. Stets aber geht das Recht des Bundesstaates dem der
Gliedstaaten .vor, daher auch alle auf gesetzlicher Grundlage
ruhenden Anordnungen des Bundesstaates allen Anordnungen der
Gliedstaaten, eines der wichtigsten Merkmale, das den Bundes-
staat vom Staatenbunde scheidet!). Die ganze Rechtsordnung des
Gliedstaates kann sich demnach nur innerhalb der vom Bundes-
staate gesetzten Schranken bewegen.
Vermöge der zweifachen im Bundesstaate herrschenden Staats-
gewalt sind auch Gebiet und Volk zweifach qualifiziert, eine
scheinbare Ausnahme von der Regel, daß diese beiden Elemente
jeden Doppelcharakter ausschließen und keine Zweiung zulassen.
Am Einheitsstaate gemessen scheint der Bundesstaat die Herr-
schaft mit seinen Gliedern zu teilen, und politische Betrachtung
dieser Verhältnisse hat die Lehre von der geteilten Souveränetät
ım Bundesstaate geschaffen. Rechtlich ist aber im Bundesstaate
eine einzige souveräne Staatsgewalt vorhanden, deren Funktionen
durch die nichtsouveräne ergänzt werden. Die Gesamtheit der
für eine bestimmte Epoche notwendigen staatlichen Funktionen
wird daher von beiden Staatsgewalten in ihrem Zusammenwirken
versorgt, und damit verschwindet das Abnorme, das in der
Zweiung der Eigenschaft von Gebiet und Volk im Bundesstaate
zu liegen scheint.
Diese Zweiung der staatlichen Elemente kann für bestimmte
Teile des Bundesstaates völliger Einheit weichen. Amerikanische
Bundesgebiete und Territorien, das Reichsland Elsaß-Lothringen
sind nicht Staaten, sondern der Herrschaft des souveränen Bundes-
staates unterworfene Landschaften, da das von den Einzelstaaten
1) Ausdrücklich ausgesprochen ist dieser Satz in den Verfassungen:
Deutsches Reich Art. 2, Vereinigte Staaten Art. VI 82, Schweiz Art. 113
letzter Absatz. Ferner Argentinien Art.31, Mexiko Art. 126, Venezucla
Art.7. Vgl. Le Fur, p.544, der ihn auch für die Bundesstaaten als
selbstverständlich bezeichnet, die ıhn nicht ausdrücklich anführen.