Full text: Allgemeine Staatslehre

184 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
unterworfen, für die jeweiligen Staatenregierungen das Erfordernis 
der bundesstaatlichen Bestätigung aufgestellt werden. In den 
republikanischen Bundesstaaten bestehen in der Tat Institutionen, 
die nur fortgebildet zu werden brauchen, um die Staatenverbindung 
unmerklich in einen Einheitsstaat umzubilden!). 
Aus dieser abstrakten Möglichkeit aber auf eine bereits vor- 
handene allseitige Unterwerfung der Gliedstaaten unter den 
bundesstaatlichen' Willen zu schließen, wäre ganz unzulässig. 
Denn auch dem Individuum gegenüber besteht jenes potentielle 
Recht des Staates; und nichtsdestoweniger wird niemand die Be- 
hauptung wagen dürfen, daß wir aus diesem Grunde Staatssklaven 
seien, der Persönlichkeit gänzlich entbehren oder sie nur als ein 
Prekarium besitzen. Das Verhältnis der Bundesgewalt zu den 
Gliedern muß vielmehr stets nach aktuellen, nicht nach der 
potentiellen Zuständigkeit der Bundesgewalt beurteilt werden. 
Jene bedeutet aber in der Regel nur einen Hilfsbegriff zur 
Rechtfertigung des Rechtssatzes, daß Rechtsschranken irgend- 
welcher Art für Verfassungsänderungen des Bundesstaates nicht 
existieren. Für die bedeutsamsten Bundesstaaten der Gegenwart: 
  
1) Für das Reich behauptet G. Meyer, S.593ff.,, Schranken der 
Verfassungsänderungen durch die vertragsmäßigen Grundlagen des 
Reiches. Da aber im Reiche keine Gewalt existiert, die eine in den 
gesetzlichen Formen vollzogene Kompetenzerweiterung des Reiches für 
ungültig erklären könnte, so wäre‘ dieser Satz, selbst wenn man ihn 
zugäbe, nur eine lex imperfectissima. Die Frage, ob ein einzelner 
Gliedstaat aus dem Bundesstaat ausgeschlossen, aufgehoben oder un- 
günstiger als die übrigen Gliedstaaten gestellt werden könne, ist nach 
dem Rechte eines jeden einzelnen Bundesstaates zu beantworten. In 
den Vereinigten Staaten z.B. bilden die Bestimmungen, daß keinem 
Gliedstaat ohne dessen Einwilligung das gleiche Stimmrecht im Senate 
entzogen werden dürfe (Const. Art.V) und daß eine Fusionierung und 
Teilung von Gliedstaaten nur mit Zustimmung der Legislaturen der be- 
treffenden Staaten und Genehmigung des Kongresses stattfinden dürfe, 
einen wirksamen Schutz für die Existenz der Gliedstaaten im Bunde. 
Es blieb daher nach Beendigung des Sezessionskrieges der Union nichts 
anderes übrig, als den Rebellenstaaten nach Wiederherstellung der 
friedlichen Zustände die früheren Rechte zu gewähren. Wo aber der- 
artige Schutzmittel der Gliedstaaten nicht vorgesehen sind, läßt sich 
aus der Natur des Bundesstaates allein kein Rechtssatz ableiten, der 
dem einzelnen Gliedstaat seine Existenz im Bunde gewährleistete., 
Praktisch würde diese Frage wohl nur im Falle eines inneren Krieges 
oder der Teilnahme eines Gliedstaates an einem’ gegen den Bundesstaat 
gerichteten internationalen Kriege werden.
	        
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