30 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
konnte. Tatsächliche Machtverteilung an verschiedene Staats-
glieder hat aber zu allen Zeiten als hervorragendes Mittel der
Verbürgung der bestehenden Ordnung gegolten, wenn sie auch
daneben stets noch andere Zwecke verfolgte.
Die antiken Republiken haben in der Verteilung von Macht-
befugnissen an verschiedene Magistrate, in der Ordnung von
deren gegenseitigen Verhältnissen ein wirksames Mittel für die
Aufrechterhaltung ihrer Institutionen erblickt. In dem aus-
geprägten Typus des mittelalterlichen Staates war die politische
Machtverteilung durch den Gegensatz von rex und regnum von
selbst gegeben. Die entwickelte Organisation des modernen Staates
beruht auf dem Dasein gesonderter, voneinander relativ un-
abhängiger Zuständigkeiten. Diese Sonderung hat sich zum Teil
unbeeinflußt von jeder politischen Theorie vollzogen; sie ist auf
dem Kontinente sodann in umfassenderem Maße durch die Ein-
wirkung allgemeiner Lehrsätze, namentlich der Lehre von der
Gewaltenteilung, durchgeführt worden. Der Schaffung besonderer
Organe für die einzelnen Staatsfunktionen lag auch der Zweck
zugrunde, durch solche Machtverteilung die Aufrechterhaltung
der öffentlichen Rechtsordnung zu sichern!). Die Art der Be-
hördenorganisation: Einzel- oder Kollegialbehörden, die Selbst-
verwaltung in ihren verschiedenen Formen, die Gewährung einer
sicheren Rechtsstellung an das Berufsbeamtentum haben auch
Folgen für die Garantierung des öffentlichen Rechtes.
Andere Festsetzungen politischer Garantien sınd im Laufe der
Zeiten als minder bedeutsam erkannt worden. So vor allem die
gesetzlich festgelegten politischen Eide, die gerade da am
meisten .gefordert wurden, wo sie sich am wenigsten wirksam
erwiesen haben ?).
1) In der Theorie soll die Gewaltenteilung nur die Rechtsstellung
des einzelnen garantieren: die liberte politique ist nach Montesquieu
ihr Zweck. Anders hat die Praxis diese Lehre benutzt. Bekanntlich
ist ın Frankreich die Trennung der Justiz von der Verwaltung seit 1790
keineswegs nur im Interesse der Unabhängigkeit der Rechtsprechung,
sondern ebensosehr ım Interesse der Freiheit der Verwaltung von jeder
richterlichen Kontrolle durchgeführt worden.
?) Ein Beweis für den Umschwung der Anschauungen in diesem
Punkte seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts ıst die Tatsache, daß
heute weder der deutsche Kaiser noch der Präsident der französischen
Republik den Verfassungseid leisten. Für den ersteren war er noch
von der Frankfurter Reichsverfassung ($ 190), für den letzteren von