Drittes Kapitel. Die Geschichte der Staatslehre. 67
empfangend als gebend zu verhalten und zeigen manchmal sogar
eine höchst lückenhafte Kenntnis der Ergebnisse der staatswissen-
schaftlichen Forschungen?).
2. Werke über Politik auf historischer Grund-
lage. Von Geschichtschreibern ist der Staat häufig zum Gegen-
stand selbständiger Betrachtung gemacht worden. Hervorragende
Versuche dieser Art stehen noch ganz auf dem Boden der antiken
Anschauung, die das gesamte Staatsleben nur als ungebrochene
Einheit zu fassen vermag. Eine Scheidung des Rechtlichen vom
Nicht-Rechtlichen, des Juristischen vom Politischen ist bei ihnen
nicht zu finden. Sie zeichnen vielmehr den Staat, wie ihn eine
nahe Zukunft auf Grund der geschichtlichen Entwicklung und
des politischen Programms des Autors verwirklichen soll?). Da-
neben stehen Arbeiten, die einer Naturlehre des Staates
oder einzelner Staatsformen zugewendet sind, in der Regel eben-
falls theoretische. Erörterungen mit praktischer Spitze®), Ferner
zählen hierher auch die Darstellungen der Politik, die von
Männern der Staatswissenschaft ausgehen. In ihnen finden sich
1) Vgl. Stahl Die Philosophie des Rechts Il?, Die Staatslehre und
die Prinzipien des Staatsrechts 5. Aufl. 1878; Ahrens Naturrecht 6. Aufl.
II 1870 S.264ff.; Trendeienburg* Naturrecht auf dem Grunde der
Ethik 2. Aufl. 1868 S. 325ff.; Lasson System der Rechtsphilosophie 1882
S.641ff.; Höffding Ethik, übersetzt von Bendixen, 2. Aufl. 1901
S.51l4ff.; Paulsen System der Ethik, 7.u.8. Aufl, IT 1906 S. 544 ff.;
Wundt Ethik, 4. Aufl. III 1912 S. 276ff., und System der Philosophie,
3. Aufl. II 1907 S. 188 ff.; Ludwig Stein Die soziale Frage im Lichte der
Philosophie 2. Aufl. 1903, namentlich S. 421ff.; einige Bemerkungen auch
bei Heinrich Maier Psychologie des emotionalen Denkens 19083 S. 706 ff.
Von katholischem Standpunkt Cathrein im Staatslexikon, herausgeg.
im Auftrag‘ der Görres-Gesellschaft s. v. Staat V 1897 S,216ff,, und
v.Hertling, ebenda 3. Aufl. IV 1911 S. 1356ff. Für ‚das heutige Ver-
hältnis der deutschen Philosophie zur Staatslehre ist es bezeichnend,
daß das an bibliographischen Nachweisen so reiche Werk von Ueber-
weg-Heinze Grundriß der Geschichte der Philosophie des 19. Jahr-
hunderts, 10. Aufl. 1906, zwar S.380f. einige dürftige Notizen über die
Rechtsphilosophie hat, die Staatslehre aber mit keinem Worte erwähnt.
2) Die hervorragendsten: Dahlmann Die Politik I 2. Aufl. 1847;
G.Waitz Grundzüge der Politik 1862; H.v. Treitschke Politik, Vor-
lesungen, herausgeg. von Cornicelius,. I, Il, 1897—98. Vgl. auch
Lamprecht Staatsform und Politik im Lichte der Geschichte, Hdbch.
d. Politik 1 1912 S. 19 ££.
3) C.Frantz (vgl.ob.S.61£.N.3); Roscher Politik, Geschichtliche
Naturlehre der Monarchie, Aristokratie und Demokratie 1892. Dazu
G.Jellinek Ausgewählte Schriften und Reden II 1911 S.320ff.
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