Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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Bei Unverheirateten werden die Leichen= oder Trauerbilder im Zuge 
vorangetragen und zwar noch vor den Kränzen. Bei einer verstorbenen 
Jungfrau werden sie von Frauen und Mädchen, bei einem jungen Manne 
von Männern getragen (Zwö., Ne., Th., Gey., Küh. u. a. O.). Besaß 
der Verstorbene ein Ehrenzeugnis, so prangt auch dieses mit im Leichen- 
zuge (Ne.). In A. trug man vor mehreren Jahren das Bild des Ver- 
storbenen voran. Vielfach geübter Brauch ist, Bilder von Verstorbenen 
an ihren Leichensteinen anzubringen. In Schn. werden die Bergleute 
— zuweilen auch andere — von der bergmännischen Begräbnisgesell- 
schaft (Seite 43) zur ewigen Ruhe getragen. « 
Das Trauerlauten. Klingt das Trauerlauten auffällig dumpf 
(Ri. 302), reißt dabei der Glockenstrang (Kl.), so muß die Familie aber- 
mals in kurzer Zeit den Verlust eines Gliedes beweinen. Mit schwer- 
belastetem Gewissen ist der Mensch gestorben, bei dessen Trauerlauten 
die Glocke zerspringt (Wo.). 
Am Grabe. Als letzten stummen Gruß wirft man Kränze, 
Blumen oder Erde in die Gruft des Toten. Alttestamentliche Sitte 
ist das nie gewesen, aber christliche war es schon in den ersten Jahr- 
hunderten, wo man in Katakomben begrub. Der einst verbreiteten Sitte, 
die Särge auf dem Totenacker noch einmal öffnen zu lassen, wurde 
in den 40er und 50er Jahren von Gerichtswegen entgegengetreten, so 
durch das Kgl. Ministerium des Innern in einer Verordnung vom 
30. Dezember 1848, wie auch durch den Stadtrat zu Ehrenfriedersdorf 
durch eine Bekanntmachung vom 9. März 1859, worin jeder Zuwider- 
handlungsfall mit einer Geldbuße von fünf Talern oder entsprechender 
Gefängnisstrafe bedroht wird. Schlägt die Uhr ins Vaterunser der 
Leichenpredigt (Ri.) oder beim Hinablassen des Sarges (Wo.), fällt 
eine Person oder ein ihr gehörender Gegenstand ins Grab, so steht der 
Familie in kurzer Zeit wiederum ein Sterbefall bevor (739°). Reißt 
das Seil, so stirbt das ganze Geschlecht aus (Ri.). 
Die Ruhe des Toten wird gestört durch jeden Tritt auf sein 
Grab (v. 743); denn solange der Körper noch nicht verwest ist, steht die 
Seele noch mit ihm in Verbindung und jener hat also noch Empfindung; 
ferner durch Riechen an den Grabblumen (A. 7437), sowie durch Unter- 
lassung der Schmückung der Ruhestätte an hohen Festtagen (Nd.). Zur För- 
derung der Ruhe soll man oft sagen: „Gott hab ihn selig (Wo.) Gern 
und oft gedenkt man des Toten. An Geburtstagen desselben umkränzt 
man sein Bildnis (v.), stellt am Silvesterabend das, was ihm am besten 
gefiel, auf den Tisch (O.) und läßt beim Silvesteressen zuweilen noch 
einen Platz für ihn frei (Sche.). Regen am Begräbnistage ist ein 
Zeichen, daß der Tote viel gelitten hat und nicht gern gestorben 
ist (A. 266"). Ein am Neujahrstage vollzogenes Begräbnis läßt im 
kommenden Jahre zwölf Ehepaare auseinandersterben (N.), ein am 
Himmelfahrtstage, am Karfreitage oder in der Marterwoche stattge- 
fundenes hält schwere Gewitter vom Orte fern (Mau. 300“"), behütet das 
Haus des Verstorbenen vor Blitzschlag (Wo.). „Eine Leiche auf der 
Bahre zur Himmelfahrt — Bedeutet: Die Gewitter haben keine Art“
	        
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