Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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(Gro.). Gewitter verkündet wiederum baldigen Tod eines Familien- 
gliedes (H.). Nach einem Begräbnisse soll man sich stets die Hände 
waschen (B.). Die dem Toten geschenkten Blumenstöcke setzt man teils 
auf den Grabhügel, teils pflegt man sie daheim. Damit sie nicht 
eingehen, werden sie vier Wochen lang mit schwarzen Bändchen umbunden 
(Br., Pf.). Man beschenkt sie mit Geld oder einer Haarnadel, damit der 
Tote nicht wiederkomme (A.). An dem auf das Begräbnis folgenden 
Sonntage gehen die Hinterlassenen in die Kirche, wo sie während des 
ganzen Gottesdienstes sitzen bleiben (Schl., Sch., Mau., I.). 
Der Leichenschmaus. (Hierzu vgl. W. 740 ff. M. 274. 
Sartori, die Speisung der Toten, S. 18. Höfler, im „Globus“ 1901, 
S. 91. Mo.t, 282. Mo.2, S. 297). Unmittelbar an das Begräbnis 
schließt sich im Trauerhause das Leichenessen an, eine Sitte, die im 
Seelenglauben ihren Ursprung hat. Die Totenmahlzeiten, wobei einst 
die Seelen der Verstorbenen als gegenwärtig gedacht wurden, sind als 
ursprüngliche Opfer aufzufassen; denn diese sind ursprünglich nichts 
anderes als Mahlzeiten, bei denen der Gedanke zu Grunde liegt, das 
übermenschliche Wesen nehme an der Mahlzeit seiner Verehrer selbst 
mit teil. Deshalb läßt man beim Leichenessen, wenn auch nur noch 
Müen einen Platz für den Toten frei (Gr.). Einst deckte man auch 
ür ihn. 
An dem Leichenessen nehmen die nächsten Verwandten und Ge- 
ladene teil. Je nach den Verhältnissen ist das Mahl mehr oder weniger 
reichlich. Als Hauptgericht gab es früher entweder Rindfleisch und 
Rosinenreis oder Rindfleisch mit Meerrettich nach eingenommenem Kuchen 
und Kaffee, jetzt ißt man gewöhnlich Sauerkraut und Rinderbraten auf 
den Dörfern. Auswärtige bekommen Kuchen mit nach Hause. Dieser 
darf nicht in Papier gepackt werden, sondern ins „Schnupptichel“; denn 
„ins Tränentuch gehört auch der Tränenkuchen“ (B.). In Mau. be- 
kommen die ärmsten Leute bei „vornehmen“ Leichen Kaffee und Kuchen 
ins Haus geschickt. 
Das Mahl begann und endete früher immer mit einem Gebet. 
In Niederhaßlau sprach der Geistliche bei jedem Leichenschmause: 
„Tritt im Geist zum Grabe hin, 
Sieh dein Gebein versenken, 
Sprich, Herr, daß ich Erde bin, 
Lehre du mich's denken jeden Tag, 
Daß ich weiser werden mag.“ 
Doch keine Regel ohne Ausnahme. Oft und mancherorten wurde 
nach dem Essen Karte gespielt, und es machten Scherze die Runde, 
mit deren Inhalte es nach sittlicher Seite hin nicht allzu genau ge- 
nommen wurde. Zuweilen schloß sich auch ein Tanz an. Solche Aus- 
artungen kommen jetzt nicht mehr vor, wenngleich die Stimmung der 
Versammelten oft keine allzu traurige ist; schloß sich doch 1896 in 
Schl. an einen Leichenschmaus eine Verlobungsfeier an. In der Regel 
wird während des Mahles und darnach der Lebenslauf des Verstorbenen
	        
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