Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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besprochen, seiner guten Eigenschaften gedacht, und man erzählt Ereignisse 
und Anekdoten aus seinem Leben. Nach dem Leichenessen besuchen die 
Hinterbliebenen nach weithin geübtem Brauche das Grab des Verstorbenen. 
Die in Gebrauch gewesenen Stuben werden mit nach der Tür 
gewandtem Rücken gekehrt, damit niemand nachsterben soll (Frk.). 
5. Die Seele nach dem Fode. 
(Vgl. hierzu W. 209 ff. Mo.“, S. 326 ff.) 
Nach heidnischem Glauben kehrten die Seelen all derer zurück auf 
die Erde, denen bei ihrem Tode die Überlebenden nicht die nötigen 
Ehren erwiesen hatten. Diesen Glauben spiegeln viele der schon er- 
wähnten Totenbräuche wider. Dann aber waren es auch die Seelen 
derer, die keine Ruhe fanden und so lange umgehen mußten, als ihre 
Frevel unter den Mitmenschen nicht gesühnt waren, die im Leben un- 
gerecht gehandelt und das Irdische ungestraft verlassen hatten. Das 
Christentum veränderte und vertiefte diesen Glauben: auch die, die 
gegen die christliche Sittenlehre gefehlt hatten, mußten durch Umherirren 
ihre Sünden abbüßen, nicht nur in Menschen-, sondern auch in Tiergestalt. 
Die vielen Tierprozesse lehren, wie weit man in diesem Rechtssinn ge- 
gangen ist: „die immer noch Böses übende Seele sollte auch nach dem 
leiblichen Tode noch mit weltlichen Strafen belegt werden.“ „Dieser 
Rechtssinn lebt noch heute in unserem Volke in alter Frische fort und 
erzeugt in Anlehnung an die alten immer neue Mythen und Sagen.“ 
Nach verbreitetem Volksglauben finden der Selbstmörder, der Meineidige, 
der Wucherer, der Geizige und der, bei dem man nach dem Tode ein 
Muttermal entdeckt (A.), im Grabe keine Ruhe. Der Selbstmörder 
muß fort und fort nach dem Orte seiner Entleibung hinwandeln, 
weshalb ja auch solche Orte als unheimlich gelten, oder wie der 
Volksmund sagt, es daselbst „umgeht.“ Das Umgehen ist aber nicht 
immer Strafe. Auch die Seelen unfreiwillig aus dem Leben Geschie- 
dener treiben an den Stätten des Unglücks ihr Wesen. So befand sich 
auf Neuölsnitzer Flur ein Schacht, der durch einen Wolkenbruch über- 
schwemmt wurde und sich senkte. Noch jetzt befindet sich an der Stoll- 
berger Straße das Wasserloch, das zur Ablagerung von Schutt u. a. 
dient. Wenn sich nun ein Grubenunglück ereignet hatte, so kamen nach 
dem Volksglauben die Geister, die Seelen der umgekommenen Bergleute 
heraus und führten über dem Wasser einen Tanz auf. Wenn Bergleute 
vorübergingen, so drohten sie, diese ins Wasser ziehen zu wollen. Noch 
heute aber droht manche Mutter in den umliegenden Ortschaften ihrem 
widerspenstigen Kinde mit diesen Berggeistern. 
Der in den oberzgebirgischen Ortschaften weithin bekannte Handels- 
mann Körner verschwand an einem Christabend auf dem Nachhauseweg 
mit seinem Hundegeschirr spurlos im Stollberger Walkteich. Er soll 
bei Todesfällen umgehen und die Verstorbenen in jenen Teich fahren. 
Ahnliches weiß sich der Volksmund von einem Salzfuhrwerk zu erzählen, 
das auf der zwischen Geyersdorf und Königswalde liegenden sogen.
	        
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