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gekleideten Mädchens. An seinem Kalendertage hält St. Niklas, „der
Bruder des Knechtes Ruprecht“ und ihm auch gleich gekleidet, als milder
gabenspendender Kinderfreund seinen Umzug durch Stadt und Land.
Deshalb stellen die Kinder am Abend ihre Schuhe vors Bett oder auf
den Fensterstock oder hängen an die Außenseite der Tür die Strümpfe,
worin die artigen am Morgen Apfel, Nüsse, Niklaszöpfe und andere
Gaben finden (A., B., Zw.). Ganz vereinzelt noch erscheint St. Niklas
den Kindern selbst (A., B.). Den Rang hat ihm der weißbärtige Knecht
Ruprecht streitig gemacht, der entweder allein kommt (allg.) oder
als strafender und tadelnder Popanz das freundliche Bornkinnel ½ begleitet
(Ri., J.), — ein Bild, das in der Kunst seltsamerweise noch kaum eine
Darstellung gefunden hat. Doch auch allein zieht das Bornkinnel über
den nächtlichen Winterschnee und bringt den Kindern die lang schon
ersehnten Geschenke (Ri., Schw., M., O., Th., Br., Ob.). Sein Erscheinen
wie auch das des langbärtigen Wundermannes, der unsichtbar kommt
und verschwindet, sind an keinen bestimmten Tag gebunden. Wer dächte
aber von uns nicht beim Nennen dieser zauberumgebenen Gestalt zurück an
seine Jugendzeit, wo er noch daheim war als glückliches Kind im Eltern-
hause unter dem Christbaume mit dem in seine Aste hineingeschmückten
ganzen goldenen Sternenhimmel? Freilich kam mit dem Christkinde auch
der Knecht Ruprecht! Wie lauschten wir deshalb voller Erwartung,
wenn in der Weihnachtszeit plötzlich ein lautes Pochen und Poltern
ertönte und er endlich hereintrat in seinem phantastisch aufgeputzten
Kleide! Solche Erinnerungen haften für das ganze Leben, und ich kann
nicht verstehen, wie man in unserer Zeit diese Gestalten dem Kinde
nehmen will.
Uberaus zahlreich sind die Reime, in denen Knecht Ruprecht
im Kindermunde lebt.
Rupprich, Rupprich, guter Maa,
Sah mich nich so finster a.
Stecke deine Rute ein,
Will ein frommes Kindlein sein. (Ge)
Ruprecht, Ruprecht, guter Mann,
Schau mich nicht so finster an.
Hau mich nicht mit deinem Besen,
Denn ich bin stets brav gewesen. (A.)
Rute schwang. Andere Forscher wollen in Ruprecht den altgermanischen Feuergott
Donar erkennen, während von diesen St. Nikolaus als Wodan bezeichnet wird.
(Vgl. Wissensch. Beil, d. Leipz. Zeitg. 1905, Nr. 151.) Wieder andere sehen sein
mythologisches Vorbild in der Figur des getreuen Eckhart. Sicher aber ist, daß
Ruprecht an die Stelle eines heidnischen Vorbildes getreten und sein Wirken erst
unter christlichem Einflusse moralisch gewertet worden ist.
1) Nach Göpfert Born — Bahren, d. i. Krippe in erzgebirgischer dunkler Aus-
sprache. Bornkinnel ist demnach das Bahrenkindlein, das Christkind in der Krippe.
Höchstwahrscheinlich ist das Bornkinnel eine der Personen alter Christspiele, in denen
vor Weihnachten die Engelschar von Haus zu Haus zog und nach dem Feste durch
die Königschar abgelöst wurde (s. unter Weihnachtsspiele). Mit dem Worte bezeichnet
der Erzgebirger außer dem Weihnachtsgeschenke auch das Fest selbst, ja er sagt:
„Das Bornkinnel hat mir's beschert.“