— 161 —
einem von Schafen beweideten Wiesenplan mit Hirten und Hunden zu
der Höhe Golgathas, wo sich die Kreuzigung erhebt. Dazwischen
liegen Tempel, Gänge und Plateaus, wo sich in spannenhohen beweg-
lichen Figuren die Geburts= und Leidensgeschichte unseres Herrn abspielt.
Die buntbemalten Figuren, weit über 200, lassen ihren Schöpfer als
feinen Beobachter des Menschen erkennen. Außerst lebendig und wahr
sind u. a. der Kindermord, die Verhöhnung Christi und der Meeressturm.
Die aufgestellten zahlreichen Tiere, Hunde und Schafe, Kamele, Pferde
und Esel aber sind nicht minder fein empfunden geschnitzt. Ein schönes
mechanisches Kunstwerk besitzt auch Otto Escher in Sehma. Weithin
bekannt ist die in Form eines panoramaartigen Aufbaues gehaltene Ober-
wiesenthaler Weihnachtskrippe, die wegen landschaftlicher und architek-
tonischer Treue einen besonderen Wert hat; denn sie soll nach photo-
graphischen Aufnahmen aus dem heiligen Lande komponiert und aufgebaut
sein. Nach dem Geschmacke des naiven Erzgebirgers fehlt dieser Krippe
ein eigenartiger Reiz, die Bewegung. Nach Wieslentaler Mustern sind
auch die sehenswerten Krippen gehalten, die in A. Kl. Kirchgasse 47, 14
und Zickzackpromenade 1 alljährlich zur Aufstellung gelangen.
Doch zurück zur Weihnachtsstube. Hoch über dem Ganzen schwebt
an der Decke der holzgeschnitzte Weihnachtsengel mit Spruchband, ver-
goldeter Schärpe und goldenen Flügeln, der ringsum mit Dillen tragenden
Drähten umgeben ist oder auch nur zwei Lichter in den Händen trägt.
Zur Erhöhung des Lichterglanzes werden Engel mit Lichtern an die
Fenster gestellt (Grü., Ob., B., A.), auf die Schränke Lichterhäuschen,
auf die Fensterstöcke Lichter tragende Figuren oder auch nur sichter,
die mit ihrem Schein das nächtliche Dunkel erhellen und so dem ganzen
Dörschen ein festliches Gepräge geben. Die kleinen aus Papier gefer-
tigten Lichterhäuschen, deren Fensteröffrungen mit buntem Seidenpapier
verklebt sind, hängt man auch an die Decke und erfreut sich dann abends
an den verschiedenen Licht= und Schattenwirkungen, die die um sich selbst
drehenden und im Innern erleuchteten Gebilde geben. Diese Freude
an dem Lichte scheint ein Erbteil der Bergmannsbewohner zu sein,
erinnern doch auch die am Christfeste noch in vielen Stuben und auch
Schankwirtschaften (in Schn. fast allgemein, Zscho., Neu., A.) aufgestellten
Lichter tragenden Bergmänner an jene Zeit, wo allein der Bergbau
die Existenz mancher Gegend und ihrer Bewohner bedingte. Als eigen-
artiger Schmuck sind noch die Reitschulen zu erwähnen, die den bei
Jahrmärkten aufgestellten nachgebildet sind und zuweilen durch ein Uhr-
werk mit Musik in Bewegung gesetzt werden. Räucherkerzchen würzen
schon Tage zuvor die Luft. Hausflur und Stuben, sogar die Laube
im Garten werden mit Stroh belegt, worauf man auch gleich schläft,
teils aus Bequemlichkeit, teils, um nicht die Metten am ersten Feiertage
zu verschlafen. Wer in den Frühmetten recht munter ist, dem ist im
kommenden Jahr eitel Glück beschert (I.). · «
So ausgestattet zeigt sich im allgemeinen eine erzgebirgische Weih-
nachtsstube. Es ist ein ganz eigenartiger Zauber, der uns beim Eintritt
in eine solche umfängt, wir glauben uns in eine ganz andere Welt