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auf und sieht, daß die Kirche hell erleuchtet ist, wie auch Orgelklang
zu ihr herübertönt. In der Meinung, daß die Metten schon begonnen
haben, eilt sie zur Kirche. Zu ihrem Schrecken sieht sie darin all die Ver-
storbenen der letzten Jahre. Schnell will sie davoneilen, wird aber von
einer Toten aufgehalten, die ihr den Rat gibt, den Mantel zurückzulassen,
damit sie lebendig die Kirche verlassen könne. Die Frau wirft das
geforderte Kleidungsstück von sich und eilt heim. Am Morgen lag ein
Stück davon auf jedem Grabe, die Toten hatten den Mantel geteilt.
Auf Grund dieses Vorkommnisses sollen in Th. die Christmetten lange
Zeit in Wegfall gekommen sein. Seitdem hat sich bis heute die
Meinung erhalten, daß um Mitternacht die Verstorbenen zu einem
Mettengottesdienste in der betreffenden Kirche versammelt seien.
Daß durch die Anhäufung einer großen Volksmenge — werden
doch auch kleine Kinder mitgebracht — die Andacht in den Metten-
gottesdiensten oft gestört werden mag, ist wohl selbstverständlich. Das,
mehr aber noch der bei den Mettenspielen zuweilen verübte Unfug
ließ schon früh dagegen eifern. In dem 3. Stück des gemeinnützigen
Erzgebirgischen Anzeigers vom 14. Januar 1815 schreibt ein anonymer
Verfasser u. a: Im Jahre 1812½ erging die weise Verordnung von
E. Königl. Sächs. Hochpreißlichen Kirchenrathe, daß bei der Christmetten-
feier künftig alles wegfallen sollte, was einer vernünftigen Gottesver-
ehrung zuwider ist und daß diese Feier erst um 6 Uhr früh beginnen
solle. Man hätte nun glauben sollen, daß der zeitherige Mettenunfug,
die Farcen mit den als Engel und Hirten verkleideten Kindern wie
durch einen Zauberschlag vernichtet sein würden. Aber nein! Dieser
Unfug dauert in vielen Ortschaften des Erzgebirges und Vogtlandes
noch immer fort. Engel im weißen gebänderten Gewande, mit Sonnen
und Welten tragenden Kronen, das flammende Schwert in der Rechten
haltend und Hirten mit Tasche und Stab machen ihre mystischen Herum-
züge in der Kirche, singen von der Kanzel und Altar ihre Lieder, leiern
ihre Weihnachtssprüche ab und machen ihre englischen Tänze um den
Altar herum. Bald erblickt man sie auf der obersten Emporkirche, bald
1) Schon 1805 hatten die Stände von Ritterschaft und Städten beantragt,
„die Christmetten wegen des dabei gewöhnlichen Unfugs durch ein Landesgesetz ab-
zustellen.“ Der König trug jedoch laut Reskript vom 6. September 1810 Bedenken,
die angetragene Abänderung sofort anzuordnen, befahl aber, daß bei fernerer Bei-
behaltung der Christmetten aller Unfug auf wirksame Weise gesteuert werden möge.
Auf Grund der Unterlagen, die die Regierung daraufhin durch eingeforderte Berichte
erhalten hatte, schrieb das Konsistorium zu Leipzig am 27. Nov. 1811 an den König,
„daß die Christmetten weniger als eine religiöse Feier und Vorbereituug auf das
Weihnachtsfest anzusehen seien, vielmehr nur als eine Art Volksbelustigung, weshalb
die Christmetten ohne allen Nachteil abgeschafft werden können." Aus den 23 Be-
richten, die dem Leipziger Konsistorium von den ihm unterstellten Superintendenturen
zugingen, greifen wir nur den der Diözese Zwickau, der allein für unsere Arbeit in
Betracht kommt, heraus. Er lautet: „An mehreren Orten sei den Unordnungen in
den Christmetten bereits gesteuert worden, an anderen solle ihnen durch strengere
Polizeiaufsicht und dadurch, daß der Anfang derselben erst um 5 Uhr festgesetzt
worden, kräftigst gesteuert werden. Die Verlegung in die Abendstunden aber habe
in dieser Ephorie nirgends Beisall gefunden und lasse die Fortdauer der Unruhen
befürchten.“ (Vgl. Mitt. d. V. f. s. V., Bd. II, S. 268 ff.).