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an den Stufen des Altars. Auch sogar ein Wiegenlied wird gesungen.
Die dem Volke so gefälligen Schulmeister halten die Kirchenuhren zu-
rück, damit die Feier durch die Finsternis der Nacht begünstigt wird.
Alles dieses und die volle Erleuchtung der Kirche verbreitet einen so
mystischen und magischen Zauber, daß das tollsinnliche Volk ganz ent-
zückt wird. Zwei Stunden läuft es in der Nacht, um nur die lieben
Engelchen zu sehen und zu hören. Man trägt die Säuglinge auf den
Armen in die Kirche. Jede Familie kommt mit ihren Kinderchen gezogen.
Auf die Predigt hört niemand. Das Getöse der großen Volksmenge,
das durch das Aufschreien der vielen Kinderchen noch vermehrt wird,
läßt auch davon nichts vernehmen. So saugen schon kleine Kinder durch
die Anschauung die grobkörperlichsten Vorstellungen vom Geisterreiche
ein, die bei dem gemeinen Manne das ganze Leben hindurch nicht
wieder zu vertilgen sind. Anonym war auch dem Kirchenrate zu
Dresden von all den Vorkommnissen im Erzgebirge und Vogtlande
Mitteilung gemacht worden, woraufhin dieser an die Superintendenturen
zu Zwickau, Annaberg, Plauen und Olsnitz am 25. Januar den Befehl
erläßt, „zuverlässige Erkundigung einzuziehen, ob solches in Wahrheit
und wie es auf diesen Fall um die stattgefundene Ceremonie mit Engeln
und Hirten überhaupt bewandt gewesen sei, auch inwiefern die Geistlichen
und Schullehrer sich dabei etwas zu schulden gebracht haben.“ Aus
den Berichten, die der Annaberger und Zwickauer Superintendent über
die eingezogenen Erkundigungen erstatten, greifen wir nur einige heraus,
die der Arbeit Bergmanns „Beiträge zur Geschichte der Christmetten in
Sachsen“ (Mitt. d. V. f. s. V.“, Bd. II, S. 268 ff.) entnommen sind.
Die Christmette in Breitenbrunn hat um 5 Uhr frühi hren Anfang ge-
nommen, und ein Knabe mit dem gewöhnlichen Chorhemde bekleidet, hat
dann nach dem zweiten Liede die Jesaianische Weissagung gesungen. Ander-
weitige Verkleidungen haben dabei nicht stattgefunden. — Und heutel?
In Beyerfeld begannen die Christmetten früh 6 Uhr in nachstehender
Ordnung: 1. Ein Weihnachtslied mit Pauken und Trompeten. 2. Das
Guem pastores laudavere mit abwechselnden Chören von den Kindern
allein gesungen mit Begleitung blasender Instrumente. 3. Die Weis-
sagung des Jesaias unter musikalischer Begleitung durch einen Knaben
von der Kanzel gesungen. 4. Weihnachtslied. 5. Predigt. 6. Musik.
7. Die Unterhaltung der Kinder am Altar oder der sogenannte Auftritt,
d. i. Gespräche der Kinder mit Gesängen über die Geburt Jesu nach
Anleitung der H. Schrift. 8. Dankgebet, von 4 Kmben knieend nach
der Reihe verrichtet. 9. Kollekte, Gebet und Schlußgesang. In der
Unterhaltung der Kinder ist ebenfalls nichts Lächerliches und Unanstän-
diges vorgekommen. Allerdings haben allegorische Verkleidungen der
Kinder stattgefunden. Die Knaben der bemittelten Eltern haben grüne
oder blaue Jacken, weiße Beinkleider, Schuhe und Strümpfe und grüne
Hüte oder Kappen auf dem Kopfe und Stäbe in den Händen gehabt,
die Mädchen sind weiß gekleidet gewesen mit grünen Kränzen auf dem
Kopfe und Stäben in den Händen. Der Knabe, der die Weissagung
gesungen, habe hergebrachter Gewohnheit nach ein weißes Gewand mit