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das erste Drittel des vorigen Jahrhunderts herein wurden die Christspiele
noch häufig im Erzgebirge aufgeführt. Von dieser Zeit ab aber wurden
sie wie auch anderwärts in Sachsen vielfach polizeilich verboten, weil
sie mitunter zum Deckmantel für Müßiggang und Bettelei dienten und
viel grober Unfug dabei getrieben wurde. ? Deshalb verschwanden an
vielen Orten die Spiele entweder ganz oder längere Heit und nur an
wenigen wurden sie im geheimen fortgesetzt. So lag die Gefahr nahe, daß
die Spiele nicht nur außer Gebrauch kamen, sondern auch, da sie sich
fast nur von Mund zu Mund fortpflanzten und selten niedergeschrieben
wurden, ganz verloren gingen. Das wäre ein großer schmerzlicher
Verlust für die Literatur gewesen, wenn jene naiven Dichtungen nicht
nur dem Volke, sondern überhaupt jeder Offentlichkeit entschwunden
wären. Um so dankbarer muß jeder Freund literarhistorischer Uber-
lieferung dafür sein, daß im Jahre 1861 Mosen auf Veranlassung des
Vereins zur Verbreitung guter und wohlfeiler Volksschriften in Zwickau
in einem interessanten Werke „Die Weihnachtsspiele im sächsischen Erz-
gebirge“ unter gleichzeitigem Nachweis ihres Bestehens in 32 Ortschaften
(Ernstthal, Gersdorf, Zsch., A., B., Fr., W., H., Kö., S., Crz., R., Mtt.,
Pö., Grünh., Cr., Aue, Pfa., Ri., J., Cu., Sch., Gey., Schl., Bo., Gru.,
Bä., M., N., Neugeschrei, Schmiedeberg und Breitenbach) von den
Spielen feffelnde Schilderungen entworfen hat. Mosen unterscheidet,
1) Ein interessanter Beitrag hierzu ist im Glückauf! 1907, S. 7 ff. enthalten,
der unter gleichzeitiger Mitteilung des verbotenen Stückes eine Klagsache behandelt,
die beim Gericht gegen Strumpfwirker und Bergleute aus Thalheim und anderen
Orten anhängig wurde, weil sie ein erzgebirgisches Weihnachtsfestspiel aufgeführt
hatten, das gegen Religion und gute Sitte verstoßen sollte. Die Bergleute bekamen
je zwei Tage Gefängnis, welches Urteil auch vom Kurfürsten Friedrich August be-
stätigt wurde. Die Verhandlung fand 1806 ihren Abschluß. — In Cu. kam es einst
zwischen der abziehenden Engelschar und der einziehenden Königsschar zu Schlägereien.
) leber die Weihnachtsspiele schreibt Wild in seinem 1809 in Freiberg er-
schienenen Buche „Interessante Wanderungen durch das Sächsische Obererzgebirge“:
„Sonst war auch das sogenannte heilige Christspiel gebräuchlich, wo Bergleute und
andere gemeine Leute in schön gereimten, burlesken Versen die Geburt Jesu als
ein Lustspiel aufführten und so von Haus zu Haus zogen. Dabei war immer
eine lustige Person, welche allerhand Possen trieb, z. B. dem König Herodes, welcher
frisiert, mit goldenem Zepter und Reichsapfel auf einem hölzernen Stuhle saß,
Schnupftabak unter die Nase rieb, daß er niesen mußte. Joseph wurde als hek-
tisch vorgestellt und hatte eine Säge in der Hand, Maria sprach oft im schönsten
Kontrabaß; denn Frauenzimmer waren bei dieser Truppe nicht; die Engel gingen
in langen Hemden, mit vielen Bändern geschmückt und gepudert, und hielten mit
einem seidenen Tuche große Husarensäbel in der Hand; die Hirten hatten hohe,
spitzige Hüte von Zuckerpapier auf und knallten entsetzlich mit den Peitschen, auch
bliesen sie auf Nachtwächterhörnern; der Stern war von Pappe und ölgetränktem
Papier an einer Stange aufgesteckt und konnte gedreht werden; manchmal brannte
er, denn inwendig stak ein brennendes Licht, auch an; das Christkind endlich war
nicht himmlischer Abkunft, es sah erbärmlich aus und ward oft sehr übel behandelt.
Uebrigens war immer ein Knecht Ruprecht dabei, welchen man im Gebirge Rupperich
nennt, mit einer Klingel und einer Ofengabel versehen und mußte die nachlaufenden
Kinder abschrecken. — Am sog. h. Dreikönigsfeste erschienen dabei gar diese drei
Majestäten, wobei eine schwarz war. Doch seit mehreren Jahren hat dieser Unfug
aufgehört, welcher eigentlich noch ein Ueberbleibsel des in Sachsen ehedem herrschen-
den Aberglaubens war!"