Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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wie schon oben angedeutet, die sogenannte „Engelschar“ und die 
„Königsschar,“ Namen, die augenscheinlich von den Gesellschaften ent- 
nommen sind, die sie darstellten. Die erstere, die sich meist aus zwei 
Engeln, dem in Mannesgestalt auftretenden h. Christ, dem Bischof 
Martin und h. Nikolaus (oder Petrus), Joseph und Maria, dem Wirt 
der Herberge, zwei Hirten und dem Knecht Ruprecht zusammensetzte, 
hielt ihre Umzüge von Haus zu Haus vom ersten Advent bis zum Neu- 
jahr oder Hohenneujahr, behandelte die Verkündigung der Geburt des 
Heilandes, die Geburt selbst und die Anbetung der Hirten. Der h. 
Christ fragte nach dem Verhalten der Kinder und beschenkte die folgsamen, 
Knecht Ruprecht aber schreckte die unfolgsamen durch seine Drohungen. 
Die Königsschar, die mit Hohenneujahr bis zur Lichtmeß zur Aufführung 
kam, spielte gewöhnlich in einem größeren Zimmer oder Saale und 
stellte den Besuch der Weisen bei Herodes, die Anbetung der h. drei 
Könige an der Krippe und den Kindermord zu Bethlehem dar. Die 
Mitglieder dieser Gesellschaft sind nach Mosen Joseph und Maria, zwei 
Engel, zwei oder drei Hirten, die drei Weisen aus dem Morgenlande, 
Herodes, ein Diener desselben und ein Schriftgelehrter. Solche Engel- 
und Königsscharen gab es oft zusammen in einem Orte, so in Fr., W., 
S., Kö., Crz., Eu.; nur Engelscharen in N., Bä., H., Sch., Schl., B., 
M., Gru., Ob.; Königsscharen hingegen nur in Cr., Grünh., Gey., Mr., 
Ri., R. Die Darsteller, die vielfach sich auch besonders kleideten, waren 
gewöhnliche Leute aus dem Volke, hauptsächlich Bergleute und nur ver- 
einzelt traten später Kinder an deren Stelle. Leute aus dem Volke 
mögen die Spiele auch verfaßt haben, die im Laufe der Zeit die mannig- 
fachsten Gestaltungen erfuhren, da, wie schon erwähnt, die Stücke selten 
niedergeschrieben wurden. Aber auch Sinnlosigkeiten und Derbheiten 
schlichen sich in die Textworte ein, so daß schon aus diesem Grunde in 
manchen Orten die Polizei einschritt, um einer Profanierung des Hei- 
ligen vorzubeugen. Mag manches auch zu Tadel Anlaß gegeben haben, 
der Kern der Sache war jedenfalls gut. „Aus dem Geiste der Frömmig- 
keit wurden die Stücke geboren, in denen auch der Humor nicht fehlte, 
Einfachheit und Frömmigkeit, sowie die liebevolle Beschäftigung des 
einfachen Mannes mit den heiligen Dingen kennzeichnete das schlicht 
fromme Spiel.“ 
In neuerer Zeit sind eine Reihe Weihnachtsspiele) entstanden, die 
zwar im Geiste der älteren und in volkstümlichem Tone abgefaßt sind, 
1) Ebenso wie das von Mosen gedichtete lehnen sich mehr oder weniger an die 
alten erzgebirgischen Spiele an: Das „Lößnitzer Christspiel“ von dem früheren 
Oberpfarrer Steininger daselbst, „Christkinds-Geburt, ein Hirten= und 
Königsspiel auf Weihnachten" vom Oberpfarrer L. Seidel in Lichtenstein, das 
die Engel= und Königsschar erneuert und mit einem Chor von 12 Jungfrauen ver- 
bindet, der die Handlung durch Wort und Sang begleitet. Freier sind gestaltet: 
„Christnacht, von Herrig, „Die heilige Nacht“ von Dr. Lehmann, „Die 
Weisen vom Morgenlande“ von Ed. Müller, „Christisterstanden“, „Friede 
auf Erden", „Ehre sei Gott“ und „Der Stern des Heils“ von H. Bauer. 
Fast all die genannten Christspiele sind seit 1895 vom Krippenverein Oberwiesenthal 
teils erstmalig, teils wiederholt aufgeführt worden. «
	        
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