Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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Zug wieder an der Schule ein, worauf alles nach Hause strömte. — 
Dienstag, der zweite Tag, verlief ähnlich wie der erste: früh 3 Uhr 
Reveille, dann um 6 Uhr Appell, dann der erste Umzug, hierauf wieder 
Aufführung eines zweiten Lustspiels im Rathause und nach Tische der 
zweite Umzug. Letzterer sammelte sich gegen 4 Uhr auf dem Markt- 
platze unter Anschluß der Reiterei. Von dieser hatte jeder auf seinen 
blankgezogenen Säbel eine Zitrone gesteckt, und so ritten sie mehrmals 
im Kreise auf dem Platze umher. Dann zogen alle, die Reiterei voran, 
nach der Schule zurück, worauf man sich nach Hause begab, um sich 
½ 8 Uhr zum Zapfenstreich einzufinden, der auch diesmal den Tag be- 
schloß. — Mittwoch, als den dritten Tag, war keine Reveille. Um 8 
fand ein grotesker Aufzug statt, dessen Kostüm früh erst angeordnet 
und bekannt gemacht wurde. Einmal wurden lauter Mohren dargestellt 
und sämtliche Schüler erschienen dann schwarz gefärbt, ein anderes Mal 
kamen andere Wilde zur Vorführung u. dergl. Unter Vortritt der 
Janitscharenmusik ging es nun durch die ganze Stadt, an beiden Seiten 
gingen Schüler mit Sparbüchsen, deren Einnahme, die aus allen Häusern 
gesammelt wurde, man zu dem am Abend zu veranstaltenden Balle 
verwendete. Kehrte der Zug gegen 12 Uhr von seiner Wanderung an 
die Schule zurück, so trat der Präfekt vor die Fenster des Rektors, der 
im Schulgebäude wohnte, und brachte dem Superintendenten, sämtlichen 
Behörden, dem Rektor u. a. ein Lebehoch, das von allen dreimal wieder- 
holt ward. Um 2 war alles abermals auf dem Platze, die oberen 
Schüler in gewöhnlichem Anzuge, die kleine Gesellschaft aber noch in 
ihrem Festkostüm. Es begann der Auszug nach einem vor dem Tore 
gelegenen öffentlichen Orte unter schallender Janitscharenmusik. Dort 
angekommen unterhielt sich jeder auf seine Weise, die Schüler der oberen 
Klassen tranken Bier und rauchten Tabak aus Tonpfeifen, die der unteren 
hielten sich schadlos an Kuchen, den die Frau des Schulfaktors daselbst 
feilhielt. Gegen Abend wurden die drei untern Klassen entlassen, Prima 
und Sekunda aber begaben sich in die Stadt, um die von den Eltern 
erbetenen Mädchen zum Balle abzuholen. Dieser dauerte gewöhnlich 
so lange, bis die Glocken zum Gottesdienste des Himmelfahrtfestes riefen. 
So endete das Fest. — Einige Tage später gab der Rektor dem ganzen 
Lehrerkollegium eine# solennen Schmaus. Er konnte dieses um so eher, 
da ihm die Einnahme bei dem ersten Umzug, das Eintrttsgeld bei dem 
zweimaligen Theater und das sogen. Rollengeld (jeder Schüler, der in 
einem Stücke auftrat, mußte diese Bevorzugung mit einem entsprechenden 
Betrage von 10 Neugroschen bis zu einem Taler vergüten) zuflossen. Alle 
diese Gaben hingen zwar von dem Belieben des einzelnen ab, fielen 
aber oft sehr reichlich aus.“ 
Deoas Gregoriusfest, in A. auch Pallados festum genannt, soll 
nach Richt. Chron. II, 124 das erste Mal am 22. April 1512 aufgeführt 
worden sein, jedenfalls hat es aber schon lange vor 1572 bestanden. 
In dieser Zeit war der Verlauf des Festes folgender.? Am Gregoristage 
*l. ·)) Siehe Bartusch, „Die Annaberger Lateinschule zur Zeit der ersten Blüte 
der Stadt und ihrer Schule im 16. Jahrh.“ Annaberg 1897, Grasers Verlag.
	        
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