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größer wird, aber zum Schaden anderer (Schl., He.). Diese Leute
nennt man Bilmschnitter (Uber diesen Unhold s. unter Abschnitt IX).
Wer sich am Johannistage badet, soll ertrinken; denn zu dieser Zeit
fordert das Wasser immer ein Opfer (Eib. 92). Das gilt auch von
bestimmten Brunnen. So verlangt der Walkteich bei Stollberg aller
drei Jahre, der Brunnen in der Himmelsmühle zwischen Wiesenbad und
Geyersdorf zu bestimmten Zeiten ein Menschenleben. „Das ist die
unfreiwillige Spende, die noch heute die Geister des feuchten Elements
sich holen. Im Heidentum brachten die Menschen freiwillig die Gabe
dar“ (Mo. 1, 331).
Wetterregel: „Regen am Johannistag, nasse Ernt' man er-
warten mag“ (A. 94). „Johannisregen bringt keinen Segen" (A).
Eigentümlicherweise hat sich der Johannistag auch im Erzgebirge
zu einem Totenfeste entwickelt (S. auch Seite 65. 117.).
Juli.
Einen der seltenen Lichtblicke im einförmigen Leben des Bergmannes
bildet und bildete das jährliche Bergfest, das letztmalig in Annaberg
1866 und zwar seit 1821 immer Donnerstag in der zweiten Woche
im Quartale Crucis gefeiert wurde, in Schneeberg und Freiberg aber
noch heute stets am sogenannten Streittage,? am Tage Maria Magda-
lena (22. Juli), abgehalten wird. Fällt dieses Datum auf einen Sonn-
tag, so fällt in Schn. das Fest für das betreffende Jahr aus. Findet
die Feier statt, so versammeln sich die 4—500 Teilnehmer in Parade-
uniform zwischen 8—-9 Uhr vorm Schießhause und ziehen in Reih und
Glied, nach Gewerkschaften formiert, unter den Klängen eines langsamen
Marsches mit Vorbeugen der Knie bei jedem Schritt („Kniebügelmarsch“)
zu einem bergmännischen Gottesdienste in die Kirche. Nach dem Gottes-
dienste gehen alle nach Hause und finden sich nachmittags in einem
Gartenlokale zu einem Volksfeste ein, abends zu Tanz in verschiedenen
Lokalen. Eine besondere Gruppe, die wegen ihrer kleidsamen und
eigenartigen Tracht stets ungeteilte Aufmerksamkeit erregt, sind die Blau-
farbenarbeiter, die in ihren faltigen weißen Blusenhemden mit den ver-
schiedenen Rang= und Arbeitsabzeichen sich wirkungsvoll aus der
Menge der schwarzen, grüngesäumten Paradeuniformen herausheben. Der
hohen festlichen Bedeutung des Tages entsprechend ist der jeweilige
Oberpfarrer und Superintendent verpflichtet, die „Bergpredigt“ zu halten.
Eine ausführliche Beschreibung des Annaberger Bergfestes gibt
Spieß, die ich hier folgen lasse. „Am Morgen versammeln sich die ein-
zelnen Bergleute bei ihrem Steiger. Dort wird eine kurze Morgen-
andacht, in Gesang und Gebet bestehend, gehalten und ein Imbiß
1) Ueber das Freiberger Bergfest, das letztmalig am 22. Juli 1908 gefeiert
wurde, s. „Mitt. d. V. f. s. Volksk.“, Bd. IV, S. 247 ff.
Füer die Entstehung dieses Namens siehe die auf zahlreichen Urkunden
beruhende Arbeit Wapplers „Ueber den Streittag (22. Juli) der Bergleute“
im 38. Hefte der Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins, S. 1—55. Derselbe,
„Der Freiberger Streittag und die Bergparade“", Glück auf! 1905, S. 112.