Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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die Dorfmusikanten die schlummernden Bewohner. Bald sind sie alle in der Wohn- 
stube beim Kaffeetisch versammelt. Die gute Kaffeekanne dampft in der Mitte der 
Tassen und daneben locken Teller mit Türmen von Kuchenstücken. Man tut dem 
ersehnten Gebäck die möglichste Ehre an, und Teller und Kanne sind schnell geleert. 
Der heutige Gottesdienst wird nur spärlich besucht, denn erst am morgenden Tage, 
am Montag, ist der eigentliche Kirchweihtag. Ist er endlich angebrochen und rufen 
die Glocken zur Kirche, so eilen die festlich geschmückten Landleute in einzelnen Trupps 
von allen Seiten nach der lieben Ortskirche, deren Weihtag ja heute geseiert wird. 
Heute darf die Kirchenmnsik nicht fehlen. Wieder ertönt Glockenklang und heraus 
strömt die Menge, jeder seiner Wohnung zu. — Welche Freude gibt es bei der 
Heimkunft. Der Vetter aus der benachbarten Stadt, die Frau Gevatterin aus 
einem entfernten Dorfe und andere geladene Gäste sind eingetroffen. Endlich ist der 
Tisch gedeckt. Auf dem Tischtuch von selbsterbautem Flachs prangen Schweine= und 
Hühnerbraten, daneben die beliebten Kartoffelklöße und Sauerkraut, weißes Brot 
und Bier, vielleicht auch eine Flasche Wein. Alles setzt sich. Auch der zitternde 
Großvater im silberweißen Haar rückt seinen altertümlichen Lehnstuhl heran und 
von seinem wirtlichen Sohne gebeten, nimmt er das Samtkäppchen von dem ehr- 
würdigen Haupte in die gefalteten Hände und spricht das Tischgebet. Jeder läßt 
sich die guten Gerichte wohlschmecken, deren Schluß mächtige Kuchenteller bilden. 
Nach Tische machen die Männer einen Gang ins Freie, die Kinder haben ebenfalls 
draußen ihre Lust, wo auf Wegen und Stegen ein fröhliches Leben herrscht. Nur 
die Frauen bleiben sitzen und erzählen sich bei Kuchen und Kaffee die neuesten Geschichten. 
Die rückkehrenden Männer gesellen sich auch zu ihnen und unter Gespräch und Ge- 
nuß vergeht die erste Hälfte des Nachmittags. Später geht man wohl in die 
Schenke, wo der Tanz der jüngeren Leute bereits um 3 Uhr begonnen hat. Dort setzt 
man sich zum Glase Bier, man spielt einen Skat, auch Schafkopf oder schaut der 
unermüdlichen Jugend zu. Um 7 Uhr geht man zum Abendessen nach Hause, das 
von der Hausmutter festlich zugerüstet ist. Alt und jung nimmt Platz, die Teller werden 
gefüllt und bald ist alles in reger Arbeit. Ist die Rosinensuppe gegessen, folgt 
Schweinefleisch mit Zwiebelbrühe, oder Schinken mit Sauerkraut, dann Karpfen mit 
Krautsalat, zuletzt wieder Kuchen. An Bier, Branntwein, selbst an Wein ist kein 
Mangel. Nach aufgehobener Tafel bleibt man noch eine Weile beisammen sitzen 
oder man wandert wieder zur Schenke, wo nun auch die Verheirateten am Tanz 
sich beteiligen, bald einen Walzer, bald einen Rutscher, einen Dreher usw. verlangend. 
Spät wird die Kirmeslust beschlossen und mit Kuchenpäckchen beladen ziehen die 
Gäste dankend heim. — Dienstag bildet noch eine Art Nachfeier, bis endlich an 
dem Mittwoch Haus und Arbeit allmählich wieder in das ruhigere Gleis einlenken. — 
Am nächsten Sonntag verhallen in der Klein-Kirmes die letzten Klänge und Freuden 
des Festes: nur die Erinnerung tröstet noch und die Hoffnung, daß nächstes Jahr 
wieder Kirmes ist.“ 
Nach Spieß (697) hielten an manchen Orten (Di.) die Musikanten 
einen Umzug, wobei sie mit Kuchen beschenkt wurden. Einer von ihnen 
war als sogenanntes Kirmesweib verkleidet. Ein Strohhut mit roten, 
flatternden Bändern, berußtes Gesicht und dicht gedrehte Werglocken, 
auf dem Rücken einen Tragkorb zur Bergung des empfangenen Kuchens, 
in der rechten Hand ein langer Stab, in der linken eine brennende 
Laterne bildeten nebst buntscheckiger Weibertracht sein Kostüm. Von 
den übrigen Musikern begleitet ging der Zug bei dem Schall der In- 
strumente und unter mancherlei Scherz und Schabernack, gefolgt von 
der Dorfjugend, von Gehöfte zu Gehöfte und lenkte endlich wieder in die 
Schenke ein, wo man an der erblasenen Sammlung sich ein gütliches tat. 
Eine Kirmes im kleinen ist der Martinschmaus am 11. November. 
An diesem Tage darf die Martinsgans nicht fehlen. — 
An keinen Tag im Jahre war der Reiheschank gebunden, der 
in A. bis um 1880 bestand. Alle innerhalb der Ringmauer gelegenen
	        
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