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Bändern geschmückte letzte Garbe unter lautem Jubel in die Scheune
geworfen (Kl., Ehr.), läßt man sie oder einige Büschel Ahren „als Ge-
schenk und Dank“ auf dem Felde liegen (Br.) oder verbrennt sie daselbst
(Kôö.). Aus gleichem Grunde bleibt auch ein letzter Rest der Frucht auf
dem Halme stehen (M.), baut man aus stehen gebliebenen Halmen, die
der Ahren beraubt worden sind, eine Scheune in einer Ecke des Feldes.
„Je größer die Scheune, desto größer der Erntesegen“ (Zwick. Gegend).
Steigt jemand über die Deichsel des Erntewagens, so fällt dieser
geladen um (M. 669*). Ein von einem entgegenkommenden Heuwagen
entnommenes Bündel ist glückbringend (A.). Ein Strohwagen bringt
Unglück (A.), ein Leinfuder Glück (M.).
An das letzte Erntefuder werden Kränze und Blumen gehängt,
Schnitter und Schnitterinnen setzen sich darauf und fahren singend durch
das Dorf. Ist das Getreide trocken eingebracht worden, so folgt ein
fruchtbares Jahr (M.).
Auf das erste eingefahrene Fuder Heu wirft man einen Pfennig.
Bleibt er sichtbar darauf liegen, so brennt's in der Nachbarschaft, ver-
schwindet er, so steht eine reiche Ernte in Aussicht (Th., Nied.).
Am Abend des letzten Erntetages oder auch Sonntags darauf gibt
der Bauer seinen Leuten ein kleines Fest, das „Stoppelhahn“ genannt
wird und von vielen, wie mir wiederholt gesagt wurde, sogar für das
schönste Fest im Jahre gehalten wird, nimmt ja auch der Bauer mit
seiner Familie an der Festtafel mit Platz (Ehr., Br., Ne.). In ihrer Mitte
steht als Schmuck die Ernteschüssel, angefüllt mit den schönsten und
größten Früchten, wie Kartoffeln, Kohlrüben, Rot= und Weißkraut u. a.,
aus denen die längsten Hafer= und Kornähren emporragen (Br.). Die
so geschmückte Schüssel wird am Erntefest auf den Altar der Kirche ge-
setzt (Br.). An Speisen werden aufgetragen: Grüne Mehlklöße, Rinder-
oder Schweinebraten, Sauerkraut und Kohlrübensalat, dazu Bier und
Schnaps. Ein Gebet eröffnet und schließt das Essen. Früher wurde
das Anfangsgebet von ziemlicher Länge von allen stückweise aufgesagt.
Nach dem Schlußgebete gab es, wie auch jetzt noch, Kaffee und Kuchen,
und nicht selten erschienen einige Musikanten mit Ziehharmonika, Flöte,
Geige und Klarinette, die lustig zum Tanz aufspielten. Schnell waren
Tisch, Bänke und Stühle beiseite geschoben, und als erstes Paar er-
öffneten der Hausvater in Hemdärmeln und die Hausmutter mit blendend-
weißer Schürze den Reigen. Ihnen folgten die Knechte mit den Mägden,
die Tagelöhner mit ihren Frauen, die Kühjungen mit den Töchtern des
Hauses und bald waren alle in fröhlichster Stimmung, die durch Bier
und Schnaps noch wesentlich gehoben wurde, ihren Abschluß aber
fand, wenn der „Kehraus“ gespielt wurde. Gewöhnlich bekamen die
Tagelöhner noch einen Viertel= oder halben Kuchen für die Kinder mit
auf den Nachhauseweg. Der Tanz ist jetzt meist weggefallen, denn dazu
bietet sich ja sonst oft Gelegenheit. Wo er aber stattfindet, dauert er
oft bis früh (Br., Ehr.).
Nachdem alle -Güter einer Gemeinde eingeerntet haben, wird an
einem Sonntage das Erntedankfest abgehalten, das sich früher un-