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ganze Jahr hindurch so gut wie kein Fleisch auf den Tisch. Ein Haupt-
gericht war in jener Zeit und auch später noch das Kraut. Daher auch der
Spottreim: „Heit Kraut, — Vorm Kraut, — Das hätt iech men Harrn
net zugetraut, — Daß er esu viel Kraut drbaut. — Durch Jesum
Christum, Amen“ (Küh.). Neben dem Kraut spielte und spielt noch die
Kartoffel! eine große Rolle. Zwei Speisezettel, der erste aus den 50er,
der zweite aus den 90er Jahren, mögen das illustrieren.
Sonntags: Sauerkraut mit Schweinefleisch.
Montags: Saure Kartoffeln ohne Fleisch od. Milchreis od. Milchhirse.
Dienstags: Hafergrütze, Reis, Hirse oder Kartoffelmus mit Wurst.
Mittwochs: Gemüse, meist Bohnen, mit Fleisch.
Donnerstags: Kartoffelmus mit Wurst.
Freitags: Mehlbrei oder Kartoffelgetzen.
Sonnabends: Ganze Kartoffeln mit Quark, Fett oder Butter.
Im Sommer kam mehr grünes Gemüse auf den Tisch, als Beikost
mitunter auch Staudensalat. (Umgegend von A.)
Montags: Kartoffelmus mit Wurst.
Dienstags: Kartoffelstückchen mit Rindfleisch.
Mittwochs: Kartoffeln mit Sauerkraut, ohne Fleisch.
ein Schirrmeister wöchentl. 22 a. Gr.,
ein Schafmeister » 14»,, ,und Deputate an Schafen,
ein Großknecht
ein Ochsenjunge, je nach seiner Größe, jährl. 12—14 Tlr.
ein Kühjunge —10
Außerdem erhielt jeder, mit kusnhne des Küh- und des Ochsenjungen, der etwas
Hafer gesät bekam, je nach dem Rang 1—3 Metzen, à 1½ Scheffel Leinaussaat.
Gedieh der Lein, so brachte 1 Metze Aussaat durchschnittlich 12½ Tlr. Ertrag. Alle
dazu nötigen Arbeiten mußte jeder Dienstbote selbst verrichten. «
. Die weiblichen Dienstboten bekamen:
eine Vogtin wöchentl. 25—30 a. Gr., 2 Metzen Leinaussaat, 30 Tlr. Weihnachten,
eine Wirtschafterin,, 25—30 „ „ 2 „ „ „ 25 „ „ ,
eine Hausmagd » 25 7 v7 2 « «» - 25 » « -
eine Großmagd » 20 „1—2 J77 „ 10 e/ „ „
eine Kleinmagd jährl. 8—10 5%„v,1. Metze
tze
Die aus dem Niederlande kommenden Dienstboten. bekamen durchschnittlich
2 Gr. mehr. Infolge der Abschaffung der Leinsaaten Ende der 50-er Jahre stiegen
die Löhne um 20—25%, nach dem Kriege von 1866 um weitere 10%. Eine
weitere Steigerung erfuhren die Löhne nach dem Kriege vön 1870/71, am meisten
sind ste jedoch seit 1890 gestiegen. Trotzdem ist der Leutemangel groß.
1) Am 1. Sept. 1854 erließ der Stadtrat von Annaberg im Wocheublatte
folgende Bekanntmachung: „Die Erfahrung hat gelehrt, wie überaus nachteilig der
Mangel an kräftiger warmer Speise und- fortwährender Genuß der oft nicht gehörig
gereiften Kartoffeln sowie des Kaffees als Hauptnahrungsmittel auf die Gesundheit
einwirkt. Wir warnen daher den ärmeren Teil unserer Einwohner vor dem an-
haltenden Gebrauche dieser Nahrungsmittel und empfehlen die Benutzung der wieder
eröffneten Speiseanstalt, welche warme kräftige Kost mit der nötigen Abwechselung
der Speisen billig gewährt, auf das Angelegentlichste“. In der Petition an die
Kgl. Ministerien des Innern und der Finanzen um eine direkte Eisenbahnverbin-
dung zwischen Annaberg und Chemnitz vom 24. Jan. 1855 heißt es u. a.: „Bei
unserer Bevölkerung, welche in der Hauptsache die Mittel für Fleisch und bessere
Kost nicht aufbringen kann, ist der Bedarf von Kaffee und Kaffcesurrogaten außer-
ordentlich stark und es ist wirklich staunenerregend welche Massen Cichorien und
gemahlener Runkelrüben in hiesige Gegend verladen werden."“