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nie zu diesem Ehrenamte erwählt, gegen sie erhebt ja auch schon die
erwähnte Theorie der Vererbung der Pateneigenschaften Einspruch (571,
594). Bei unehelichen Kindern dürfen ledige Personen nicht Gevatter
stehen (Mau.). Ist aber die Wahl getroffen, so ergeht von den Eltern
des neugeborenen Kindes zunächst die Einladung an dieselben. Man
nennt diese Einladung das Gevatterbitten, das schriftlich oder mündlich
von den Eltern oder der Hebamme besorgt wird. Die Gevatterbriefe sind
sehr formell gehalten, früher mehr als jetzt, wo sie etwas aus der
Mode kommen. Man wendete bei ihnen immer die hochdeutsche Sprache
an und ließ sie, wenn nicht gleich gedruckte oder lithographierte benutzt
wurden, meist vom Lehrer schreiben. Hier ein Beispiel:
„Der Wohlachtbaren Jungfer Auguste Wilhelmine, Mstr. N. N. Schmiedels,
Wohlangesehenen Bürgers und Posamentiersältesten Tochter in Buchholz. Meiner
hochgeschätzten Jungfer Gevatter. — Wohlachtbare, wertgeschätzte Jungfer Gevatter!
Demnach der Allgütige uns Eltern mit einem Söhnlein durch glückliche Entbindung
erfreut hat, welches wir künftigen Donnerstag, als den 26. Dezember durch die h
Tause unter die Zahl der Bekenner und Verehrer Jesu aufnehmen lassen wollen,
hierbei aber Mittelspersonen nötig sind, welche Patenstelle vertreten, wozu wir
unter andern Dieselben aus besonderem Zutrauen in unserer Wahl bestimmt haben,
so ergehet an Sie unfre freundschaftlich ergebenste Bitte, sich hierzu bereitwillig
finden zu lassen, und in dieser Absicht erwähnten Tages Nachmittags um 3 Uhr in
unserer Kirche zu Buchholz solcher heiligen Handlung beizuwohnen und mit Für-
sprache bei Gott für die Wohlfahrt unsers lieben Kindes und Aufnahme desselben
in das Reich Jesu Christi uns zu unterstützen. Hiernächst wollen Dieselben nebst
werten Angehlrigen in unserer Behausung eine freundschaftliche Bewirtung sich ge-
fallen lassen. Solche Liebe und Gewogenheit, besonders aber die unserm lieben
Kinde zu erzeigenden Wohltaten werden wir mit steter Dankbarkeit erkenten und
unserm Liebling bei seinem Wachstume, dazu der Höchste Segen schenken wollel
lehren, welche Pflichten er seinen wertesten Paten zu erweisen schuldig ist. In-
sonderheit werde ich als Vater nie ermangeln lassen, Beweise der Gegenlilbe an den
Tag zu legen, der ich unter Anwünschung des besten Wohlseins lebenslönglich bin
Meiner sehr schätzbaren lünftigen Jungfer Gevatter dienstbereitwilliger K. Tr. Wendler.
Buchholz, d. 22. Dez. 1
Neuere Gerhtzerbriefe sind gedruckt oder lithographiert und zeigen
oben gewöhnlich ein Bild.
Biuingt die Hebamme den Patenbrief, so ißt man mit ihr gemein-
schaftlich, damit das Kind zeitig sprechen lerne (Ne., A.) Ladet der
Kindtaufsvater selbst ein, so trägt ihm der erste Pate Esser und Trinken
auf. Beide gehen herauf zum zweiten Paten, der ebenfals einen Im-
biß spendet. Beim letzten Paten finden sich alle ein, dem natürlich
die Zeche am teuersten zu stehen kommt. So kann es geschehen, daß
der Gevatterbittende erst spät in der Nacht in heiterstei Stimmung in
sein Haus zurückkehrt (A.). Eine Gevatterschaft schläg man nie aus,
denn sie bringt Glück ins Haus (v.), zudem „muß jeses Kind Paten
haben“ (A.). Die Gevatterbriefe steckt man bis zur Taufe an den
Spiegel, damit jeder die einem widerfahrene Ehre wisse (Br.). Wie hoch
die Patenehre geschätzt wird, lehrt auch die Meinung, daß der, der sich
beim ersten Kuckucksruf schnell ins Gras legt, binner Jahresfrift ein
Patenkind bekommen werde (Nd.). Bietet man sich als Gevatter an,
so wird das Kind arbeitslos und kann nie Patenstele vertreten (A.
593"). Wer beim Genusse des h. Abendmahls zuerst aus dem wieder